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Helmut Alexander Der Tiroler Freiheitskampf des Jahres 1809 - Geschichte und Film.
Die Auswirkungen der Französischen Revolution bekam Tirol spätestens in
den späten 90er Jahren des 18. Jahrhunderts zu spüren. Der
Verteidigungskrieg der jungen französischen Republik gegen einen
Großteil der vereinten europäischen Dynastien nahm im Laufe der Jahre
einen immer stärker werdenden expansionistischen Charakter an, der sich in
territorialen Gewinnen links des Rheins und auf der Apeninnhalbinsel
manifestierte.
In den Jahren 1796, 1797 und 1799 bedrohte die französische Armee von
Süden her das Land Tirol, zu Kämpfen kam es im Vinschgau und im
Pustertal. In diesen Jahren wurden bereits die Tiroler Standschützen gegen
das französische Heer aufgeboten und konnten in der Schlacht bei Spinges
(2.4.1797) die eindringenden Feinde erfolgreich abwehren.
Die Koalitionskriege in den Jahren um die Jahrhundertwende standen am Anfang
einer Neuordnung der politischen Verhältnisse in Europa, die allerdings
nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch am Verhandlungstisch erfolgte: die
Friedensschlüsse von Campo Formio (1797) und Lunéville (1801)
führten zu Grenzverschiebungen und zu Veränderungen der
Einflußsphären der Großmächte, der
Reichsdeputationshauptschluß des Jahres 1803 hatte die Säkularisation
der geistlichen Fürstentümer und die Mediatisierung kleinerer
Herrschaftsgebiete zur Folge, wodurch u.a. auch Osterreich umfangreiche
Territorien dazu gewinnen konnte.
Der Ausbruch des 3. Koalitionskrieges im Jahre 1805 endete in der
Dreikaiserschlacht bei Austerlitz mit einer Niederlage für die Gegner
Frankreichs. Osterreich mußte die im Frieden von Preßburg
(25.12.l805) von Napoleon diktierten Bedingungen akzeptieren und Tirol sowie
Dalmatien und Venetien an das mit Frankreich verbündete Bayern bzw. an die
Republik Italien abtreten.
Das inzwischen von Napoleon zum Königreich erhobene Bayern ergriff im
Februar 1806 offiziell Besitz von Tirol und führte in den folgenden Jahren
zahlreiche Veränderungen administrativer, wirtschaftlicher, medizinischer,
kultureller Natur durch. Am 1. Mai 1808 erfolgte die Einführung der neuen
bayerischen Konstitution, welche die tirolische Landesverfassung außer
Kraft setzte und damit die Stände aufhob; gleichzeitig wurde Tirol wie das
übrige Bayern auch - nach französischen Vorbild in Verwaltungskreise
eingeteilt. Gegen Ende des gleichen Jahres wurde auch in Tirol die
Militärstellung dekretiert, wodurch das seit 1511 im Tiroler Landlibell
verbriefte Privileg, nach dem keine Tiroler für Kriege außerhalb des
Landes verpflichtet werden durften, aufgehoben wurde. Wie viele Neuerungen der
bayerischen Verwaltung in den Jahren zuvor, löste auch und besonders diese
Maßnahme heftige Proteste aus und es kam deswegen sogar immer wieder zu
lokalen Unruhen; in vielen Fällen entzogen sich die Burschen der
Konskription durch Flucht.
Die Erhebung in Spanien gegen die französische Fremdherrschaft war für
Osterreich und auch für die Tiroler ein Signal zum Aufstand gegen die fremde
Macht im Land, zumal ein Großteil der militärischen Kräfte
Frankreichs auf der Pyrenäenhalbinsel gebunden war. Bereits im Jänner
1809 weilte eine Tiroler Delegation - darunter auch Andreas Hofer - in Wien, um
den Aufstand mit Erzherzog Johann w besprechen und mit den österreichischen
Kriegsplänen abzustimmen. Diesen Gesprächen folgten in den kommenden
Wochen Vorbereitungen in Tirol für die bevorstehende Erhebung, die trotz
immer stärker werdender Verbreitung geheimgehalten werden konnte.
Die Aktivitäten der Tiroler in dieser Zeit stehen am Beginn der Handlung in
dem Film "Andreas Hofer - Der Freiheitskampf des Tiroler Volkes": ein
bayerischer Offizier gibt Anweisung, alle Informationen über geheime
Ansammlungen der Bauern sofort zu melden bzw. solche mit allen Mitteln zu
verhindern. Die nächste Szene zeigt dann auch eine geheime Versammlung von
Tiroler Bauern und zwar beim Gasteiger-Wirt am Jaufenpaß. Im Auftrag von
Erzherzog Johann meldet Martin Teimer Andreas Hofer, daß die Osterreicher
den Tirolern zu Hilfe kommen würden, was als Signal für den
bevorstehenden Aufstand gilt. - Soweit der Film.
Tatsächlich brach am 9. April 1809 der Krieg zwischen Osterreich und
Frankreich aus und österreichische Truppen zogen in der Stärke von
15.000 Mann von Kärnten nach Tirol. Hier kam es bereits vor deren Eintreffen
zu Kämpfen im Pustertal und im Sterzinger Moos, wo Hofer erste
militärische Erfolge gegen die Bayern erzielen konnte. Auch nördlich
des Brenners waren die Tiroler Schützen erfolgreich, indem sie - filmisch
ausführlich festgehalten - am 12. April unter der Führung Josef
Speckbachers die Stadt Hall einnahmen.
Während in Tirol das bayerische und französische Militär
vertrieben bzw. gefangen genommen werden konnte und die administrative und
wirtschaftliche Verwaltung wieder in österreichische Hände
überging, erlitt Erzherzog Karl in Bayern mehrere Niederlagen und
mußte sich nach Innerösterreich zurückziehen.
Daraufhin begannen im Mai die Bayern Tirol durch das Unterinntal und über
den Paß Strub mit massivem militärischen Einsatz zurückzuerobern,
wobei die Osterreicher bei Wörgl (13.5.) eine vernichtende Niederlage
einstecken mußten und die Stadt Schwaz durch Brand nahezu vollständig
zerstört wurde (15.5.). Am 19. Mai besetzten die Bayern Innsbruck,
während etwa zur gleichen Zeit der Großteil der noch im Land
verbliebenen österreichischen Truppen durch das Pustertal abzog. Trotzdem
die Tiroler sich dadurch im Stich gelassen fühlen - mit der Szene, in der
General Buol den Abzug des Miltärs Hofer und seinem Adjutanten Josef
Eisenstecken in einem Gasthof am Brenner mitteilt, setzt auch die Filmhandlung
wieder ein -, ruft Hofer neuerlich die Schützen zum Kampf gegen die Bayern
auf.
Von seinem Quartier in Sterzing aus trifft Hofer Vorbereitungen, um die Bayern
wieder aus Tirol zu verjagen und ruft die einzelnen Schützenkompanien der
verschiedenen Täler Tirols am Bergisel zusammen. Durch den Sieg des
österreichischen Heeres über Napoleon bei Aspem am 21./22. Mai
besonders motiviert und durch 1.300 Mann österreichisches Militär
verstärkt, gelingt es den Tirolern in den Bergiselschlachten am 25. und 29.
Mai, den Abzug der Bayern aus Tirol zu erzwingen. Dieser neuerliche Erfolg der
Tiroler wird im Film nicht weiter thematisiert; vielmehr wird nach den letzten
Schlachtszenen mit einem Zwischentitel ein Sprung von knapp sechs Wochen im
historischen Geschehen gemacht und mit den Zeilen "... aber der
Waffenstillstand von Znaim am 11. Juli 1809 überlieferte Tirol gänzlich
der despotischen Willkür Napoleons" der Fortgang der Geschichte bzw.
der Verlauf der Filmhandlung in das Arbeitszimmer Napoleons verlagert. Der Kaiser
der Franzosen diktiert gerade die Bedingungen für einen Waffenstillstand und
teilt dem anwesenden Fürsten Johannes von Lichtenstein mit, daß er von
nun an kompromißlos und ohne Gnade gegen Tirol vorgehen werde.
Was war geschehen? Stach der Bergiselschlacht im Mai 1809 wurde Tirol wiederum
von einem österreichischen Beamten verwaltet und Kaiser Franz gab im
sogenannten Wolkersdorfer Handbillet vom 29. Mai jene Erklärung ab, die sich
für Hofer und die Tiroler noch in fataler Weise auswirken sollte: »Im
Vertrauen auf Gott und Meine gerechte Sache, erkläre Ich hiemit Meiner
treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs, daß sie nie
mehr von dem Körper des Oesterreichischen Kaiserstaates soll getrennt
werden, und daß Ich keinen anderen Frieden unterzeichnen werde - als den, -
der dieses Land an Meine Monarchie unauflöslich knüpft.«
Kaum sechs Wochen später erlitten die Osterreicher bei Wagram eine
vernichtende Niederlage durch die Franzosen, nach der am 12. Juli Napoleon die
Waffenstillstandsbedingungen von Znaim diktierte. Danach mußte Tirol von
österreichischem Militär geräumt werden, woraufhin am 28. Juli mit
diesem nicht nur höhere österreichische Beamte, sondern auch zahlreiche
Gefährten Hofers das Land verließen. Darüber informiert der Film
mit einem Zwischentitel, der allerdings nicht erwähnt, daß sich unter
jenen auch Eisenstecken und Teimer befanden. Deren Verhalten mißbilligte
Hofer auf das Schärfste, was in dem Film in einer späteren Szene zum
Ausdruck kommt - aber leider nicht unbedingt verständlich ist.
Zunächst muß aber die Geschichte wieder die Lücke bis zu
nächsten Filmszene schließen, in der 15.000 Tiroler Bauern in der
dritten Bergiselschlacht am 13. August 14.000 bayerische und französische
Soldaten besiegen. flach dem Abzug des österreichischen Militärs aus
Tirol hatten 25.000 Bayern, Franzosen und Sachsen wiederum Einzug in Innsbruck
gehalten und versuchten in den folgenden Wochen, das Land unter ihre Kontrolle zu
bringen. In den ersten Augusttagen erlitten die Besatzer bei Pontlatz und
Sterzing (Sachsenklemme) vernichtende Niederlagen, bevor sich die Tiroler
Landesverteidiger im Inntal und um Innsbruck konzentrierten und - nach
erfolgreich geschlagener Schlacht am Bergisel - den Abzug der Bayern und
Franzosen erzwangen.
Nach diesem Erfolg, den die Tiroler Schützen ohne die Unterstützung
Österreichs erreicht hatten, zogen die Landstürmer mit Hofer als ihrem
Oberkommandanten in Innsbruck ein. Vertreter der Innsbrucker Bürger und des
Tiroler Klerus bitten Hofer - wie im Film zu sehen -, die Verwaltung des Landes
zu übernehmen und Ruhe und Ordnung herzustellen. Der Sandwirt aus dem
Passeier übernimmt diese Aufgabe und errichtet seine
"Bauernregierung" in der Hofburg. Hierher kommt auch Ende September
der, inzwischen zum österreichischen Major beförderte, ehemalige
Adjutant Hofers, Josef Eisenstecken, um eine kaiserliche Ehrenkette und ein
Geldgeschenk zu überbringen. Die frostige Atmosphäre dieser Situation
wird im Film recht deutlich und ist nur dadurch w erklären, daß Hofer
die Flucht Eisensteckens Ende Juli als Verrat bzw. als Treuebruch bewachtet hat.
Die offizielle Verleihung der kaiserlichen Auszeichnung durch den Abt von Wilten
am 4. Oktober nimmt einen breiten Raum im Film ein; die schlechten Nachrichten,
welche noch am gleichen Tag in der Hofburg eintreffen, leiten nach dem Vorbild
eines klassischen Dramas die Wende in der Geschichte des Jahres 1809 ein.
Während der Amtszeit Hofers versuchten sein Kampfgefährten Josef
Speckbacher und der Kapuzinerpater Joachim Haspinger den Kampf gegen die
Franzosen auch außerhalb des Landes zu führen. In Kärnten und im
Salzburger Land wurden sie allerdings geschlagen, die Niederlage Speckbachers in
Melleck (16.10.) wird Hofer von dem Priester Daney am 18. Oktober zur Kenntnis
gebracht, eine Rückblende zeigt diesen Kampf, in dem Speckbacher's Sohn
Anderl von den Bayern gefangen wird, auch im Film; weitere Hiobsbotschaften
erhält Hofer durch schriftliche Nachrichten. Zur gleichen Zeit etwa
schloß Osterreich mit Napoleon den Schönbrunner Frieden (14.10), in
dem Kaiser Franz - entgegen seiner früher verlauteten Zusage gegenüber
den Tirolern - auf Tirol verzichtete. Bayern und Franzosen rückten daraufhin
Mitte Oktober aus Kärnten, Oberitalien und Bayern nach Tirol vor, besetzten
am 24. Hall und am 25. Oktober Innsbruck.
Hofer hatte bereits am 21. Oktober Innsbruck verlassen, wurde allerdings erst am
28. Oktober offiziell von dem bereits zwei Wochen zuvor abgeschlossenen Frieden
in Kenntnis gesetzt. Er beschloß daraufhin den Kampf zu beenden, wird
jedoch von fanatischen Elementen - im Film vor allem von Haspinger - zum
Weitermachen überredet. Der Aufruf zum letzten Aufgebot ist der verzweifelte
Versuch, einer ausweglosen Lage zu entkommen. Das Scheitern der Tiroler in der
vierten Bergiselschlacht am 1. November ist im Film nicht zu sehen. Vielmehr
leitet ein Zwischentitel ».Mit furchtbarer Strenge zog der Winter in die
Berge und während die Blutgerichte in dem geknebelten Land wüteten, war
Andreas Hofer für die Welt verschollen . .« über zum letzten
Kapitel des Tiroler Freiheitskampfes bzw. im Leben Andreas Hofers.
Hofer, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt wurde, versteckte sich Mitte November in
den Bergen seiner Südtiroler Heimat Mit seinem Schreiber Cajetan Sweth
verbarg er sich seit Anfang Dezember auf der Pfandler-Alm, in einem Versteck, das
nur engste Vertraute kannten. Hier entdeckte ihn Ende Jänner 1810 der Bauer
Franz Raffl, der den Aufenthaltsort Hofers den Franzosen meldete. Am 28.
Jänner 1810 nahmen die Franzosen Hofer und seinen Begleiter, sowie seine
Frau und seinen Sohn, welche ebenfalls seit Mitte Dezember bei ihm auf der
Hütte waren, gefangen.
Andreas Hofer und Cajetan Sweth wurden nach Mantua gebracht - Hofers Gattin und
Sohn wurden in Bozen freigelassen -, wo ihnen vor einem französischen
Militärgericht der Prozeß gemacht wurde. Auf Befehl Napoleons wurden
beide zum Tode verurteilt.
Am 20. Februar 1810 wurde Andreas Hofer im Festungsgraben von Mantua erschossen
und auf dem Friedhof von St. Michael beigesetzt. Sweth hingegen wurde begnadigt
und sein Todesurteil in Haft und Verbannung umgewandelt.
Die letzten Monate im Leben Andreas Hofers sind im Film recht ausführlich
dargestellt und zeigen eine große Nähe zur historischen Wirklichkeit.
Der Besuch seiner Frau in der Zelle zu Mantua ist geschichtlich allerdings nicht
haftbar, als dramaturgisches Mittel aber durchaus gut eingesetzt.
Der Film ist keine vollständige Chronologie der historischen Ereignisse der
Jahre 1809/10, doch ist festzuhalten, daß die Filmhandlung sich von den
wirklichen Ereignissen jener Jahre zumindest nach dem Stand der Forschung in den
1920er Jahren - kaum entfernt, so daß "Andreas Hofer - Der
Freiheitskampf des Tiroler Volkes" durchaus als Spielfilm mit
dokumentarischem Charakter bezeichnet werden kann.
Zum Schicksal von Andreas Hofer ist noch nachzutragen, daß seine Leiche im
Jänner 1823 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von österreichischen
Kaiserjägeroffizieren exhumiert und über Trient und Bozen nach
Innsbruck gebracht wurde. Hier wurde er am 21. Februar feierlich in der Hofkirche
beigesetzt.
ZUR GESCHICHTE DES FILMS "ANDREAS HOFER - DER FREIHEITSKAMPF DES TIROLER
VOLKES' AUS DEM JAHRE 1929.
Vom Sandwirt zum Freiheitshelden - Der Mythos Andreas Hofer
Seit dem Tod Andreas Hofers am 20. Februar 1810 wird der Tiroler Freiheitskampf
in zahllosen literarischen Werken ebenso wie in der bildenden Kunst immer wieder
thematisiert. Dabei wurden und werden "häufig Mythen konstruiert, die
noch immer nicht überwunden sind, die vielmehr in politischen Reden und
Kommentaren weiterleben bzw. im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche
Konstellationen adaptiert werden."
Reportageartige Schlachtenszenen sind ebenso zahlreich wie die Heroisierung und
Idealisierung der Kämpfer am Berg Isel in Gemälden dargestellt worden.
Die Bilddokumentationen zum Tiroler Freiheitskampf zeigen aber auch, "wie
sehr das Thema Anno Neun mit der Figur Andreas Hofers personifiziert wurde. Im
Einzelbildwerk wie auch in Szenenabfolgen wird die Person Hofers von allen
Perspektiven beleuchtet". Die Werke von Johann Plazidus Altmutter, Franz von
Defregger, Joseph Anton Koch oder Albin Egger-Lienz, um nur die wichtigsten zu
nehmen, haben die Vorstellungswelt ganzer Generationen von den Kämpfen am
Berg Isel geprägt.
Romantische Idealisierungen, die aus Andreas Hofer einen Märtyrer gemacht
haben, der raus Liebe zu »Freiheit, Volk, Vaterland und
österreichischem Kaiserhaus« - die Reihenfolge ist willkürlich -
kämpfte und starb," finden sich aber auch in der Literatur. Mindestens
achtzig Hofer-Dramen und eine unüberschaubare Menge an volkstümlichen
Balladen, Rollengedichten, Romanen und Erzählungen hielten und halten die
Erinnerung an das Jahr 1809 wach und künden großteils vom Heldentum
und der Treue der Tiroler.
"Wie wir die ärmsten sind von seinen Kindern/ So müssen wir die
treusten sein des Kaisers/ Gold gibt ihm Hungarn, Steine Böhmen, wir/ Wir
haben nur ein Herz voll frommer Liebe/ und einen Arm, der dieses Herzens
Willen/Ausrichten kann. Wir müssen ihn erkämpfen/ Verdienen das
Zutraun, das in uns gesetzt/ Das alte heil'ge Erzhaus Österreich."
Zur gleichen Zeit wie solches Heldenlob anstanden aber auch kritische
literarische Aufarbeitungen der Kämpfe des Jahres 1809, "die sich
allerdings beim Publikum, schon gar nicht in Tirol, nie durchsetzen
konnten."' Freilich waren solche Passagen aus einer Kalendergeschichte von
Johann Peter Hebel, wie die folgende, nicht besonders schmeichelhaft für Die
Tiroler, doch zeigen sie, daß die Identifikation und die Sympathien mit den
Freiheitskämpfern das Jahres 1809 nicht immer und überall zum
Allgemeingut des deutschsprachigen Raumes gehören:
"Als im letzten Krieg die Franzosen und Osterreicher in der Nachbarschaft
von Tirol alle Hände voll miteinander zu thun hatten, dachten die Tiroler:
Im Trüben ist gut fischen. Sie wollten nimmer bayrisch sein. Viel
Köpfe, viele Sinne, manchmal gar keiner. Sie wußten zuletzt selber
nimmer recht, was sie wollten."
Aber auch in Tirol gab es Autoren, die konsequent mit dem idealisierenden
Hofer-Bild brachen, ohne dabei die tatsächlichen historischen Ereignisse aus
den Augen zu verlieren. Bei der Erstaufführung des Schauspiels "Andre
Hofer" von Franz Kranewitter im Jahre 1903 kam es in Innsbruck zu einem
Skandal und zu einem Verbot weiterer Aufführungen. Damals zeigte sich
bereits, daß die Auseinandersetzung mit Andreas Hofer auch eine politische
Dimension besaß, denn bei der Aufführung in Innsbruck sorgte "das
deutschnationale Lager [...] für den Applaus, das christlichsoziale Lager
für das Pfeifkonzert." Kein Wunder, sprach doch Kranewitter dem
Sandwirt seine Tauglichkeit als Politiker ab und nahm seinen bedingungslosen
Glauben an das österreichische Kaiserhaus aufs Korn. Auch die Kirche ward
zur Zielscheibe von Kranewitters Kritik und besonders von Hofers
Religiosität, "die in allen Hofer-Mythen ausgeschlachtet wird,"
will der Dramatiker nichts wissen:
"Fluech'n, fluech'n, verfluech'n des ist enker zwoat's Wort, verdammter
Pfaff! Jetzt hab'i's aber satt, enker ewig's G'mauschl. Früeher, wie's enk
taugt hat, da bin i der David, der Makkabäer g'west, und ietzt? Aber wart's,
i wear's enk zoag'n, i wear's enk eintränken. No gibt's a Mitt'l.
Kreuzdividomine, no bin i Oberkommandant von Tirol, und als dear sag' i's eng ins
G'sicht: Ös seid's Verräter! Bei meiner Seal."
Andreas Hofer und der Tiroler Freiheitskampf waren jedoch nicht alleine Themen
für Künstler und Literaten, sondern wurden auch für politische
Zwecke ge- und mißbraucht. Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurde der Tiroler Aufstand von 1809 in einen »deutschen
Freiheitskrieg« uminterpretiert, "Franzosen und Bayern wurden dabei oft
ganz einfach durch die Italiener ersetzt."
Die Jahrhundertfeiern im Jahre 1909 standen in zahllosen Orten Tirols im Zeichen
des patriotischen Gedenkens an den Freiheitskampf der Tiroler gegen ihre
äußeren Feinde. Öffentliche Gelder wurden großzügig
zur Verfügung gestellt, um an den Mythos von 1809 zu erinnern bzw. ihn zu
reproduzieren. "Spätestens 1909 wurde der Sandwirt zu einem
»Deutschtiroler Helden« umfunktioniere"
Blütezeit des Andreas-Hofer-Kultes mit der Stoßrichtung gegen den
»welschen« Erbfeind und Eindringling war natürlich die Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg: Andreas Hofer wurde nun vielfach auf politischer und
propagandistischer Ebene im Kampf für die vom Faschismus entrechteten und
unterdrückten »deutschen Brüder« in Südtirol und
für die Beseitigung der Brennergrenze mobilisiert. "Für die Nazis
war die Figur Andreas Hofer wegen seiner blinden Anhänglichkeit an die
katholische Kirche und das Haus Habsburg nicht unbedingt mobilisierbar", in
der Alltagspolitik wurde er jedoch auch von den damaligen Machthabern nicht
geschont.
Der Heldenmythos um Andreas Hofer blüht nach wie vor, zumindest in
Festtagsreden und Leitartikeln und an dessen Idealisierung zu rühren, ist
auch über 90 Jahre nach der Techet-Affäre nicht opportun, denn das
positive Image Andreas Hofers ist in weiten Kreisen der Tiroler Bevölkerung
tief verwurzelt und der Mythos vom Freiheitskampf des Jahres 1809 weit
verbreitet. "Daß die Tiroler Landeshymne ein Andreas Hofer Lied ist
und bis heute jeder Tiroler Volksschüler dieses vor der Bundeshymne singen
kann, sei nur als kleines, aber signifikantes Detail am Rande erwähnt.".
"Tirol in Waffen" - Ein Film aus dem Jahre 1913
Zur Produktion des Andreas-Hofer-Mythos' trägt seit Anfang dieses
Jahrhunderts auch ein neues Medium bei, das seither ebenfalls und besonders die
visuelle Vorstellung von der Tiroler Geschichte des Jahres 1809 prägt: Der
Film. In diesem Zusammenhang ist der "Speckbacher" - ein ebenfalls sehr
populärer Freiheitskämpfer das Jahres 1809 - zu erwähnen, ein
Film, der mit großem Erfolg vor dem Ersten Weltkrieg in den Kinos gezeigt
wurde. Wahrscheinlich entstand dieses Werk um die Zeit der Jahrhundertfeier im
Jahre 1909. Damals dürfte bereits auch ein Film über Andreas Hofer''
gedreht worden sein, der allerdings in der Geschichte keine weiteren Spuren
hinterlassen hat.
Anders hingegen verhält es sich mit dem Film "Tirol in Waffen" aus
dem Jahre 1913, der im Sommer 1991 im British Film Institut in London
wiedergefunden wurde. Dieser Film handelt ebenfalls von den Kämpfen der
Tiroler gegen Bayern und Franzosen in den Jahren 1808 und 1809 und sollte sicher
an den Erfolg das "Speckbacher" anknüpfen. Die Zeichen der Zeit
standen gut, entsprach doch die Selbstbehauptung des Tiroler Volkes dem
nationalen Zeitgeist vor dem Ersten Weltkrieg, wie überhaupt die Person
Andreas Hofer als Ausdruck für Gottesfürchtigkeit, Kaisertreue und
Volkstumsbekenntnis große Popularität genoß. Daher ist es
naheliegend davon auszugehen, daß die Berliner Firma Messter in Andreas
Hofer ein erfolgversprechendes Thema für eine Kinoproduktion erblickte.
Im September 1913 traten Vertreter jener Produktionsgesellschaft an den
Stadtmagistrat und an die Kurverwaltung in Meran heran und unterbreiteten ein
Projekt, das die Produktion eines Filmes zur Selbstbehauptung der Tiroler
gegenüber der bayerischen bzw. französischen Fremdherrschaft zum Inhalt
hatte.
Die Meraner stimmten diesem Projekt zu, erhofften sie sich doch wegen der
zahlreichen Naturaufnahmen, die in den Film eingeflochten werden sollten, eine
Fremdenverkehrswerbung "bester Güte" für das gesamte
Burggrafenamt. Im Oktober und November 1913 wurden unter der Leitung von
Ingenieur Fritz Fröhlich "kinematographische Aufnahmen aus der Zeit der
Befreiungskämpfe der Jahre 1808 und 1809"'9 durchgeführt.
Volksschauspieler vom Meraner Stadttheater wirkten bei den Dreharbeiten ebenso
mit, wie zahlreiche einheimische Statisten, besonders solche mit
"Charakterköpfen", zumal Motive aus der bildenden Kunst, besonders
Defregger'sche Motive aus »Das Letzte Aufgebot«, »Die Versammlung
der Aufständischen« oder »Die Heimkehr der Sieger« als
Vorbilder für diverse Filmszenen dienten. Geeignete Drehorte fand man in
Schenna, St. Martin im Passeier, Riffian, Dorf Tirol, Lana,- Finele, auf der
Töll, am Küchelberg und in Sulden, wo die Verhaftung Hofers bei der
Bäckmann-Hütte in Szene gesetzt wurde. In fünf Abschnitten wurden
die bekanntesten Ereignisse der Jahre 1808/09 im Film festgehalten: "der
Aufstand, die Aufrufe Hofers, die ersten Kämpfe am Sterzingermoos, die
Schlacht am Berg Isel, das Ringen an der Haller Innbrücke und die
schrecklichen Vernichtungskämpfe in der Sachsenklemme," der Brand von
Schwaz und schließlich die Flucht, Verhaftung und Erschießung von
Andreas Hofer.
Die Filmaufnahmen, über die die Presse recht ausführlich berichtete,
fanden großes Interesse bei der einheimischen Bevölkerung wie auch bei
zahlreichen Kurgästen und Touristen. Massenszenen mit 500 bis 600 Menschen,
"darunter 200 französische Soldaten, welche [...] die Lanaer
Reservisten stellten, 200 Landstürmer, die Haflinger Reiter," waren im
Burggrafenamt bis dahin ebenso so selten zu sehen wie in den damaligen Kinos.
Leider kam es auch zu einigen Unfällen, bei denen Statisten durch
unsachgemäßes Hantieren mit Waffen verletzt wurden.
Letztendlich wurden die Außenaufnahmen in knapp vier Wochen fertiggestellt,
sodaß das Filmteam am 25. November 1913 wieder nach Berlin abreisen konnte.
Hier wurden in den Ateliers noch die Innenaufnahmen, wie "Andreas Hofer in
der Hofburg, Bilder aus dem Leben Andreas Hofers, Speckbacher, Hofer zur letzten
Erhebung gedrängt etc." gedreht, das Material geschnitten und kopiert,
bevor der Streifen im Sommer 1914 in die Kinos kam.
In Innsbruck harte "Tirol in Waffen," das "historische Schauspiel
in 5 Abteilungen", die "größte Tragödie Tirols im
Film" am 10. Oktober 1914 Premiere. Es ist anzunehmen, daß der Film
auch anderenorts in Tirol mit einer ebensolchen Begeisterung aufgenommen wurde
wie in Innsbruck:
"Tirol in Waffen! Ein Schlagwort, das in uns die Erinnerung wachruft an jene
ruhmreichen Tage, an denen unsere Vorfahren Mann für Mann aufstanden gegen
den Erbfeind, der tirolische Sitten und Gebräuche mißachtete und das
Land mit Füßen trat. Die Heldengestalten eines Andreas Hofers,
Speckbachers, Haspingers usw. tauchen vor uns auf und reden eine Sprache, die zu
Herzen geht. Ein großes, weitzügig angelegtes Kunstwerk ist der Film.
Wir werden zurückversetzt in das glorreiche Jahr 1809 und leben mit den
Kämpfern für Tirols Freiheit. Der ganze Lebensweg Hofers, sein Aufstieg
w den höchsten Würden, seine schweren Kämpfe und das traurige und
doch so heldenhafte Ende in Mantuas Festungsmauern ziehen an uns vorüber.
Der Film zeichnet sich vor allem durch einen Umstand aus, den wohl niemand so
sehr zu schätzen weiß, wie wir Tiroler selbst. Es ist die durchwegs
vollkommen naturgegebene Wiedergabe der Trachten. Alles echte, kernige Tiroler
Bauern sind es, die vor uns stehen und nahezu den größten Teil zu der
erhebenden Wirkung des Dramas beitragen. Die Waffen, die die
Vaterlandsverteidiger tragen, sind den Museen entnommen und helfen die
naturgegebene Wirkung zu erhöhen. Das schönste und gewaltigste an dem
Rahmen in dem sich die Heldenkämpfe abspielen, sind unzweifelhaft die
wundervollen landschaftlichen Bilder. Unsere Berge entstehen vor uns in ihrer
ganzen Pracht. Es sind da Bilder geschaffen worden, wir erinnern nur an den
Aufstieg zur Pfandleralm, die einen hohen künstlerischen Wert in sich tragen
und vieles, was heule auf dem Gebiete des Kinowesens geschaffen wurde, weit, sehr
weit hinter sich lassen."
Diese Zeilen in den »Innsbrucker Nachrichten« zeigen aber auch,
daß schon damals in dem Film nicht mehr nur die fremdenverkehrwirksame
Intentionen gesehen wurden, die bei seiner Produktion noch ins Auge gefaßt
worden waren. Die Österreichische Monarchie stand ebenso wie das Deutsche
Kaiserreich bereits drei Monate in einem Krieg mit beinahe allen Staaten Europas,
sodaß es kaum verwundert, wenn in erster Linie der Verteidigungswille und
die Kampfbereitschaft der Tiroler, gegen alle, die das 'Land mit
Füßen' treten, hervorgehoben werden. Somit hatte der Film zur
damaligen Zeit zweifelsohne auch eine gewisse mobilisierende Wirkung, eine
Funktion, die etwas mehr als ein halbes Jahr später bedeutungsvoll werden
sollte: im Mai 1915 zogen tausende von Tiroler Standschützen, die sich in
der Tradition der Freiheitskämpfer von 1809 stehend sahen, aus, um das Land
wiederum gegen den "Erbfeind" zu verteidigen. Auch dieser Kampf sollte
zur "größten Tragödie Tirols" werden, deren Verfilmung
allerdings erst in späteren Jahren erfolgte.
In Tirol wurden unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg nur wenige Filme gedreht.
Meist handelte es sich um Produktionen ausländischer Firmen oder um
Werbefilme der einheimischen Fremdenverkehrswirtschaft. Solcherlei
Aktivitäten fanden in der Tiroler Öffentlichkeit wie auch bei den
Politikern des Landes nicht immer positiven Widerhall. Große
Entrüstung gab es vor allem darüber, daß Naturaufnahmen von Tirol
als "Schweizerische Winterlandschaften" in einigen Filmen
präsentiert oder die Drehorte in Tirol vielfach nicht genannt wurden. Auf
solche Weise würde das Land Tirol nicht nur keinen Nutzen haben, sondern
auch noch, hinsichtlich des Fremdenverkehrs, nach Meinung damaliger
Landespolitiker Schaden nehmen, weshalb in den 20er Jahren die Tiroler
Landesregierung u.a. auch das Drehen von Filmen gesetzlich regelte. Im § 25 des
Lichtspielgesetzes vom 23.2.1927 wurde festgestellt, daß zur "Aufnahme
von Laufbildern in Orten und Landschaften des Landes, sowie von solchen von
öffentlichen Veranstaltungen, Umzügen usw. zu Erwerbszwecken [...] die
Bewilligung der Landesregierung notwendig" ist.
"... eine überaus ernste und wichtige, aber auch schwierige
Angelegenheit" »Andreas Hofer - Der Freiheitskampf des Tiroler
Volkes« aus dem Jahre 1929
"Tirol ist ein internationales Problem geworden. Speziell wegen der
Verhältnisse in Südtirol ist es ständig Gegenstand internationaler
politischer Diskussion. Und darin taucht immer wieder der Name Andreas Hofer und
die Jahreszahl 1809 auf", - berichtete der »Tiroler Anzeiger« am
28. März 1929 und meinte weiter, daß aus jenen Gründen das
Interesse für einen "derartigen großen Landesfilm" bestimmt
gegeben sei.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nichts daß die Produktion eines
"Andreas-Hofer-Films" von den öffentlichen Stellen in Tirol sehr
begrüßt wurde. Diese hatten nämlich schon "seit vielen
Jahren" die propagandistische Wirkung des Filmes erkannt, die politischen
Verhältnisse und unzureichende finanzielle Mittel standen jedoch bisher der
Herstellung eines "großen einheitlichen Film[s] für das ganze
Land Tirol" im Wege. Erst als sich ein Münchner Bankier bereit
erklärte, die Finanzierung eines Filmprojektes über Andreas Hofer und
das Jahr 1809 sicherzustellen, übernahm die »Hofer-Filmgesellschaft
Ges.m.b.H.« in München dessen Verwirklichung. Das Vorhaben wurde vom
damaligen Landeshauptmann Dr. Franz Stumpf "wärmstens
begrüßt", die Landesregierung stellte für die Dreharbeiten
"sämtliche Güter, die unter ihrer Verwaltung" standen, zur
Verfügung, "sämtliche Bezirkshauptmannschaften wurden angewiesen,
in ihren Bezirken die Wege für die Aufnahmen zu ebnen und die
Bürgermeister wurden beauftragt, der Angelegenheit gleichfalls weitgehende
Unterstützung zu gewähren."
Diese Meldung im »Tiroler Anzeiger« erweckt den Eindruck, daß die
Initiative für die filmische Bearbeitung des Tiroler Freiheitskampfes von
1809 von öffentlichen Stellen des Landes Tirol ausging. Verstärkt wird
dies dadurch, daß sich in den Präsidialakten der Tiroler
Landesregierung keinerlei Hinweise für ein Ansuchen oder für eine
Bewilligung der Dreharbeiten zu dem Andreas-Hofer-Film findet. Auch die Tatsache,
daß erst "nach langen Verhandlungen" jener Münchner
Finanzier gefunden werden konnte, der "eine größere Summe
für diesen Zweck dem Lande Tirol zur Verfügung" stellte,
erhärtet eine solche Annahme. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es
sich bei dem Film also um eine Auftragsarbeit des Tiroler Landes.
Im März des Jahres 1929 waren die Verhandlungen bzw. Vorbereitungen für
die Produktion des Films so weit abgeschlossen, daß die Verwirklichung des
Vorhabens begonnen werden konnte. Der Münchner Regisseur Hanns Prechtl hatte
bereits ein Drehbuch vorgelegt, "das Episoden aus der größten
Zeit unseres Landes enthält, die den Auftakt gaben zur Befreiung des
gesamten deutschen Volkes aus der Fremdherrschaft". Ein eigens eingesetzter
Kunstausschuß, bestehend aus dem Dichter und Religionsprofessor Bruder
Willram, dem Historiker Univ.-Prof. Otto Stolz, Prior Dominikus Dietrich vom
Kloster Wilten und Herrn Engelbrecht von der Innsbrucker Liedertafel
überprüfte das Drehbuch auf seine historische Wahrheit, wodurch gewisse
Peinlichkeiten darin bei der filmischen Umsetzung verhindert werden konnten.
Prechtl legte beispielsweise in seinem Drehbuch einem Bauern die Worte in den
Mund "Wir woll'n nit bayrisch oder gar italienisch werd'n!", womit er
die politische Aktualität der 1920er Jahre - zumindest was letzteres
betrifft - kurzerhand und historisch völlig unbegründet in das Jahr
1809 zurückverlegte. Auch ließ Prechtl in seinem Drehbuch die
Verhaftung Hofers von einem italienischen Offizier vornehmen, - eine Verdrehung
der historischen Tatsachen, die nur vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der
antiitalienischen Stimmung in den 1920er Jahre erklärbar ist und absolut
nichts mit den Vorgängen der Jahre 1 809/10 zu tun hatte.
Die diversen Rollen in dem Film wurden hauptsächlich mit Schauspielern aus
dem Deutschen Reich besetzt, aus Tirol wurden Hunderte von Statisten
herangezogen, die sich freiwillig und zum Großteil mit eigenen historischen
Gewändern und Waffen für die Massenszenen im Film zur Verfügung
stellten. Als Drehorte wurden Städte und Dörfer in Nordtirol ausgesucht
und auch solche Handlungen, die sich in Südtirol zugetragen hatten, wurden
nördlich des Brenners aufgenommen. Innenaufnahmen wurden z.T. an den
historischen Schauplätzen in der Hofburg aufgenommen, andere in den
Bauernstuben des Tiroler Volkskunstmuseums.
"Der ganze Film war a Gaudi"
Von April bis Juni 1929 wurden zahlreiche Szenen des Films an verschiedenen Orten
in Nordtirol gedreht. Den Anfang machten Aufnahmen auf der Gaislacher Alm im
Ötztal, die sich als Kulisse für die Gefangennahme Hofers bestens
eignete. In der Gegend von Stafflach am Brenner wurden Mitte April Szenen aus den
Kämpfen bei Melleck aufgenommen und in der Innsbrucker Altstadt sollte
Eisenstecken bei seiner Mission in Bozen gefilmt werden. Während der
»Tiroler Anzeiger« über die Arbeiten im Ötztal überaus
positiv berichtete und vor allem den Söldener Bauern, die bei der
Gefangennahme Hofers die Soldaten stellten, großes Leb zollte, waren die
Nachrichten von den Dreharbeiten in Stafflach weniger erfreulich. Hier gab es
"einen argen Wirrwarr", weil zu wenig Darsteller erschienen und
zunächst keine Gewehre da waren und es außerdem Bauersleute gab,
"die den Kopf aus den Fenstern herausreckten oder sonst das Bild durch ihr
Dazwischengehen verpatzten. Der Regisseur und seine paar Mitarbeiter schrien sich
heiser, aber man kam doch nicht recht vorwärts. Jedenfalls hatte man zu
wenig Leute, zum Publikum abhalten und zum Erklären, und es wäre wohl
besser gewesen, wenn man zur Belehrung der ungeübten Darsteller jemanden
genommen hätte, der über mehr Ruhe verfügt und sich mit den Bauern
hätte besser verständigen können".
Kritik wurde auch an Speckbachers Hut geübt, der zu breitkrempig war, ebenso
wie an dem seines Sohnes, der "in Wirklichkeit keinen breiten, niederen
Wipp- oder Oetztaler-Hut, sondern ein sogenanntes Stötzl mit einer
Hahnenfeder getragen hat." Außerdem wurde moniert, daß bei den
Gefechten in Melleck französische Soldaten, die übrigens von
Reichswehrleuten dargestellt wurden, zum Einsatz kamen, in Wirklichkeit dort aber
nur eine bayerische Division gekämpft hatte. "Wenn man einen echten
Anno-Neun-Film drehen will," meinte dazu der »Tiroler Anzeiger«,
"dürfen solche geschichtliche Ungereimtheiten nicht vorkommen".
Die Tiroler seien in dieser Beziehung nämlich "sehr genau und
kritisch."
Solcherlei Anregungen nahmen die Aufnahmeleiter jedoch nicht sonderlich ernst,
denn sowohl die französischen Soldaten wie auch der falsche Hut sind auch
heute noch in dem Film zu sehen. Die Szenen allerdings, in denen Zuschauer ins
Bild liefen mußten wiederholt werden, so zum Beispiel auch jene in der
Innsbrucker Altstadt, die später in Hall wiederholt wurden. Hier wurde auch
am Oberen Stadtplatz unter Beteiligung von 60 Wehrmännern der örtlichen
Garnison die Einnahme der Stadt gedreht, jene Aktion, in der Speckbacher sein
strategisches Können bewies und maßgeblich zur ersten Befreiung Tirols
von der bayerischen Fremdherrschaft beitrug.
Im Zusammenhang mit der Einnahme der Salinenstadt erfolgten auch Aufnahmen auf
der Haller Brücke, wofür etwa 500 Personen aufgeboten wurden. Dabei
wurden mehrere "Kämpfer teils freiwillig, teils unfreiwillig in den Inn
gestoßen und machten so unangenehme Bekanntschaft mit dem kalten Wasser des
Gebirgsflusses." Einer der solcherlei Erfahrungen teilte, war Hannes
Hundegger, der darüber folgendes zu berichten weiß:
"Das war auf der Haller Bruckn, auf der alten hölzernen. Da hat der
Fischer gesagt, der von der Stadt, der nachmalige Bürgermeister [= Franz
Fischer, Bürgermeister von Innsbruck H.A.], der war so irgendwie ein
»Finanzminister« ein bissl der hat dann gesagt »da habt ihr was,
weil ihr die Hundegger-Buam z'ammgschlagen habt«. [Der Bruder von Hannes
Hundegger spielte ebenfalls in dem Film mit - H.A.]"
Zuerst war ich ein Tiroler und dann habe ich mich in einen Franzosen verwandelt
und dann habe ich mit dem Franz auf der Bruckn gerauft. Ich habe schon
aufgepaßt, daß ich nicht hinunter falle. Dann hat er mich doch
hinuntergeworfen! Dann sind wir weggeschwommen und am Ufer hinaus. A mords Hetz
gwesen! Und der Lantschner wollte mit einem Pferd hinunterstürzen in den Inn
und das ist verboten worden, vom Tierschutzverein. Das Mitspielen war freiwillig!
Ich habe nur nachher - das war ja saukalt, der Inn - das war ja anfangs Juni.
Also, Hochwasser am Inn, weil ja die Schneeschmelze war. Und da habe ich erst
teuflisch geschwitzt und dann ins kalte Blasser. Und dann habe ich nachher ein
Gulasch gekriegt und ein Glühwein, das weiß ich noch. Und galling
kommt der Fischer herein, der sagt »wer ist von euch in den Inn
hinuntergeflogen?« Und dann hat er mir 50 Schilling gegeben. Das war damals
viel Geld!"
Einer derjenigen, der seine Rolle im Film ebenfalls sehr ernst nahm und
überzeugend »spielte«, war der »Darsteller« des Abts von
Witten, der in der Innsbrucker Hofkirche die kaiserliche Ehrenkette an Andreas
Hofer überreichte. Abt Schuler von Wilten selbst ließ es sich nicht
nehmen, die Rolle seines Vorgängers des Jahres 1809 darzustellen und
eigenhändig "in einem alten historischen Ornate" jene Handlung
vorzunehmen. Bei diesen Aufnahmen gab es jedoch eine Panne, an die sich einige
der damaligen Statisten auch heute noch lebhaft erinnern:
"Bei den Aufnahmen, die in der Hofkirche gemacht werden sollten, da hat
irgendetwas nicht funktioniert. Die Scheinwerfer ... Ich weiß, wir sind da
heraußen ..., der Abt von Wilten hat eigens den schönen alten Ornat
vom Stift mitgenommen gehabt. Dann haben sie das Licht auf die Stative gesetzt
und dann hat es schon Anweisungen gegeben, wie die Leute schauen sollen oder was
sie betrachten sollen. Die einen halt da hin und die anderen halt dort hin, die
ganze Kirche war voll. Hinter den Schwarzen Mandern waren auf Gerüsten
große Scheinwerfer montiert und zwischen Volkskunstmuseum und
Franziskanerkloster waren, glaube ich, drei große Maschinensätze, so
alte, riesige Apparate. Und wie es dann sozusagen für den Beginn alles
gerichtet war, ja also, jetzt solls losgehen, »Strom einschalten!« Kein
Strom kam! Jetzt haben sie da wieder umeinandergemurkst - es ist einfach nicht
gelungen! Die Leute sind unruhig geworden und es war dann schon gegen Mittag, da
haben sie eben gesagt, daß sie zum »Grauen Bären« gehen
sollten, oder in die »Stadtsaal-Restauration« oder in den
»Stiftskeller« und 'umliegende Dörfer' könnte man sagen ...
Die ganzen Häuser waren pumpvoll! ... Die haben restlos den »Grauen
Bären« leer gefressen! Sie haben kein Ei mehr gehabt! Alles, was
möglich war ... Die haben größte Probleme gehabt, die Leute
wieder in die Kirche zu bringen ... Bis neun am Abend hat sich das hingezogen -
die Sauferei! Ich glaube um zehn hätte es noch etwas geben sollen. Sie haben
erzählt, im ganzen »Grauen Bär« haben sie nicht mehr ein Ei
holen können.... Aber dann die Leut' wieder hereinzukriegen! Ein paar haben
natürlich schon über den Durst wahrscheinlich getrunken gehabt und dann
sind ihnen womöglich noch die halben wieder davon gerannt, bis die anderen
aus dem anderen Wirtshaus wieder zusammen waren. Es war eine mords Arbeit! Im
Laufe des Nachmittags hat es dann, glaube ich, doch geklappt. Aber es hat sich
dann hingezogen bis gegen neun am Abend.... Für die Leute war es eine Gaudi,
ein bissl Geld haben sie auch gekriegt, das war ja eine schlechte Zeit!"
Tatsächlich waren die 1920er Jahre nicht gerade der Zeitabschnitt in der
Tiroler Geschichte, in der ein voller Magen bei einem Großteil der
Bevölkerung auf der Tagesordnung stand. Und so ist es verständlich, wem
der eine oder andere der Komparsen in der erzwungenen Drehpause sich vielleicht
etwas mehr um sein leibliches Wohl kümmerte, als es der Absicht der
Aufnahmeleiter entsprach. Trotz solcher Erfahrungen ließen es sich die
Verantwortlichen für den Film nicht nehmen, Die Tiroler Bevölkerung in
allen Teilen des Landes für die Mitwirkung bei den Aufnahmen zur
Bergiselschlacht aufzurufen. "Es hat geheißen, daß ein
Andreas-Hofer-Film gedreht wird und wer mittun will, soll sich halt melden."
Der »Tiroler Anzeiger« unterstützte die Arbeit der Filmemacher,
indem er deren Vorhaben ausführlich vorstellte und die Bevölkerung zur
Unterstützung aufforderte:
"Am kommenden Donnerstag [9.5.1929 - H-A.] finden, wem schön Wetter
ist, die Aufnahmen für die Berg-Isel-Schlacht statt. Das Interesse, welches
von der ganzen Bevölkerung diesem Unternehmen entgegengebracht wird, ist
erfreulicherweise überaus rege. Außer den mehr als 300 Mann, welche
sich vom Bundesheere zur Verfügung gestellt haben, liegen bereits
Anmeldungen von mehr als 1500 Innsbruckern und Auswärtigen vor, die alle in
alten Trachten der einzelnen Gebiete Tirols oder in einem im Jahre 1809
üblichen bäuerlichen Kleide erscheinen werden. Großes
Entgegenkommen wird auch von Seiten der Verkehrsunternehmen geboten. Die
Bundesbahn hat eine fühlbare Ermäßigung für die
Beförderung zugestanden und die Zillertal- und Stubaitalbahn übernehmen
in gewohnt großzügiger Weise die kostenlose Beförderung der
Teilnehmer. Es wird ein farbenfrohes Bild geben, wenn die Hunderte von
verschiedenen Schützen das Kampffeld rund um den Lemmenhof beleben. Der
ursprüngliche Plan, die Kämpfe auf der Ferrari-Wiese
durchzuführen, ist an der Unmöglichkeit gescheitert, alle die vielen
Zeichen der Kultur, welche nicht mehr in das Bild für 1809 passen, zu
verstecken. Auch war mitbestimmend das große Entgegenkommen von Seiten des
Besitzers und Pächters des Lemmenhofes.
Die Schützen und Landstürmer, welche sich bei den Aufnahmen beteiligen,
sammeln sich zwischen 9 und 10 Uhr vormittags vor der Stiftskirche in Wilten, wo
die einzelnen Gruppen zusammengestellt und mit Führern versehen werden. Das
ganze Gebiet des Lemmenhofes wird polizeilich abgesperrt und es wird aufmerksam
gemacht, daß Schaulustige nur dann auf ihre Rechnung kommen, wem sie vom
Berg Isel oder der Brennerstraße aus das Schauspiel beobachten wollen. Der
Vormittag wird mit den Proben für die Aufnahme vergehen. Die eigentlichen
Filmaufnahmen werden voraussichtlich zwischen 1 und 3 Uhr nachmittags gedreht.
Der Arbeitsausschuß richtet an die Bevölkerung die Bitte, das Gebiet
des Lemmenhofes frei zu lassen, damit die einebnen Kompagnien und
Landsturmformationen nicht durch die Zuschauermasse an ihrer Bewegungsfreiheit
gehindert werden. Die Aufnahmen, welche bis jetzt gemacht wurden, geben einen
Beweis vom hohen künstlerischen Kamen der Regie und der Operateure. [...l
Die Mitbürger, welche über eine alte Tracht oder über ein Kleid,
welches in der Ausführung an das Jahr 1809 erinnert, verfügen, sind
freundlichst eingeladen, sich bei der Durchführung der Aufnahmen zu
beteiligen."
Die Kämpfe am Bergisel waren zweifellos Höhepunkte der Dreharbeiten,
wodurch der Film nicht nur der historischen Bedeutung dieser Schlachten gerecht
wurde, sondern durch die Massenszenen auch wesentlich an Dynamik gewann. Auch
für die Beteiligten blieben die Aufnahmen auf der Lemmenhofwiese
unvergeßlich:
"Die Nahkampfszenen waren so wunderbar! Am Bergisel oben sind 36 Verletzte
gewesen! Ein paar durch die Rauchbomben aber die meisten durch den Nahkampf. Die
haben mit der Rettung ins Spital gebracht werden müssen! Mein Bruder Sepp
ist da oben gestanden der hat ein Gewehr in der Hand gehabt und hat vor lauter
Begeisterung - dem die Heimatwehr und das Militär haben die Franzosen und
die Bayern gebildet... Und da hat sich halt einer besonders aggressiv gegen den
Sepp gezeigt und - da seh ich noch, wie dar den Gewehrkolben nimmt und einem auf
den Arsch haut, und der ist dann da hinunter geigen! Die Rettung hat ganz nett zu
tun gehabt!
Und eine Szene weiß ich noch sehr genau: wem man den Abkürzungsweg
nach Lans hinaufgeht, beim Kreuz, da haben sie eine Föhre angeschnitten
gehabt, mit einer Klammer nur gesichert, und mitten im Kampf ist auf einmal die
Föhre umgebrochen. Das hat von der Ferne ganz gut ausgeschaut. Und dreimal
hätten wir den Auftrag gehabt, zurück zu gehen das ist mit Lautsprecher
uns gesagt worden, aber wir haben gestürmt! Und ich hab zum Glück eine
geradegebogene Sense gehabt, mit einem langen Stil, - sonst haben Um die Bayern
und Franzosen ..., die haben Gewehre mit den langen Bajonetten gehabt, mit denen
sie uns vor den Augen herumgefuchtelt haben. Und ich habe nun mit meiner Sense
solchen mit den Zacken draufhauen können! Und da haben sie geschimpft, -
aber daß sie uns die ganze Zeit vor den Augen herumgefuchtelt haben, war
ihnen gleich gewesen!"
Verletzte hat es schon bei den Filmaufnahmen zum Andreas-Hofer-Film im Jahre l913
gegeben; der Einsatz der Statisten in den Bergiselkämpfen mit einer relativ
großen Zahl von Verwundeten wurde 1929 von der Tiroler Presse allerdings
recht unterschiedlich aufgenommen.
Die Wochenschrift der Großdeutschen Volkspartei versuchte die Aufnahmen zu
dem Film und speziell jene auf der Lemmenhofwiese politisch zu verwerten, indem
sie recht deutlich dazu schrieb, daß dabei eine Erscheinung zutage getreten
sei, "über die wir uns doch ein wenig aussprechen müssen, denn
gerade das körnte bei möglichen Zukunftsereignissen in der Innenpolitik
unseres armen Restösterreich eine sehr große Rolle spielen ... .
Es hat bei dieser Filmaufnahme 37 Verletzte gegeben, die, durch allzu derbe Hiebe
auf bekannt harte Tiroler Schädel wohl ein vorübergehendes
»Damisch«-Sein hervorrufend, aber zumeist in häusliche Wege
übergeben werden konnten. Bei über 3000 Teilnehmern ist das, wie die
Innsbrucker Tagesblätter ganz richtig bemerkten, bei dem Feuereifer der
bäuerlichen Schauspieler, ganz gewiß ein recht geringfügiger
Prozentsatz und doch sagt er uns unendlich viel: Er sagt uns vor allem, daß
die biederen Tiroler Bauern noch gar nichts von ihrem traditionellen
Sturmesungestüm und noch weniger von ihrer echt süddeutschen
»Schlagkraft« eingebüßt, die sie ja auch im Weltkrieg so
glänzend bewiesen haben. Und das ist gut. Gut deshalb, weil es uns beweist,
daß wir, wem es einmal notwendig Waden sollte, im Ernstfalle, wo es keine
Rücksichten mit dem Gegner und keine Einschränkung der urwüchsigen
Naturkraft eines Stürmervolkes gibt, auf diese »Schlagkraft«
unserer braven deutschen Tiroler Bauern unbedingt rechnen können. Das ist
ein beruhigendes Gefühl, umsomehr aber deshalb, weil diese altbewährte
Tapferkeit nicht nur unsren Tirolern, sondern allen unseren österreichischen
Gebirglern sozusagen im Blute liegt ...
Das sollen sich gewisse krummnasige Volksverführer in der alten Wienerstadt
hinter ihre jüdischen Löffel schreiben. Sie sollten ihren
»Genossen«, die zumeist in die Kategorie volksfremder Radaubrüder,
Tachenierer, Plattenbrüder oder ganz grüner Jungen gehören, nicht
länger zu Schandtaten aufhetzen, die schließlich, wenn einmal die
Geduld zu Ende geht, ganz unerwartete und schreckliche Gegenwirkungen
auslösen könnten. Wenn sie also. die Roten, wirklich so große
»Friedensfreunde« und wahrhaftige »Demokraten« sein wollen,
denen jede Art von »Faschismus« wie sie die gegen ihren eigenen Terror
gerichteten Bewegungen summarisch zu benennen pflegen - in der Seele
verhaßt ist, dann müßten die Roten diejenigen sein, die als
allererste aufhören und abrüsten sollten, die Massen zu Klassenkampf
und Bürgerkrieg aufzuhetzen und Zusammenstöße zu provozieren, wie
sie es heute noch tun ...
Sie, die sich laut »Berliner Tagblatt« als »Sammelbecken der
nationaldeutschen Bestrebungen in Österreich« zu bezeichnen erfrechen,
müßten endlich einmal gewisse moskowitische Allüren ablegen, die,
wie es uns die jetzigen Berliner Ereignisse beweisen, in einem zukünftigen
Großdeutschland, welcher Farbe es auch immer sein möge, keinen Anklang
finden würden. Sollten das unsere österreichischen »Genossen«
von der 2/3 Internationale noch immer nicht erfaßt haben? Dann ist ihnen
nicht zu helfen und dann werden sie eines Tages jene echt deutsche Schlagkraft
und jenes unstüme Draufgeherturn zu spüren bekommen, wie sie uns die
harmlose Filmschlacht am Iselberg ganz unzweideutig zu erkennen gegeben hat
..."
Völlig anders hingegen reagierte die sozialdemokratische
»Volkszeitung« auf die Filmschlacht am Bergisel und brachte ihre
Empörung darüber schon in der Überschrift eines entsprechenden
Artikels zum Ausdruck:
"37 Verletzte - Der bürgerliche Schmock ist entzückt.
Seit einigen Tagen wird in Tirol gefilmt. Ein kapitalistisches Filmunternehmen
ist nämlich darauf gekommen, daß sich bei der filmischen Verwurstung
der Tiroler Kämpfe von 1809 wahrscheinlich ein schöner Profit
herausschlagen läßt. »Vaterländische« Filme werden
gegenwärtig ja mit Vorliebe gedreht, und die Tatsache, daß die Tiroler
Freiheitskämpfer von anno Neun ihr Blut umsonst verspritzten, weil die
Habsburger Andreas Hofer und mit ihm Tirol schändlich im Stich ließen,
braucht man ja im künftigen Andreas-Hofer-Film dem Filmpublikum nicht auf
die Blase zu binden ...
Am Donnerstag wurde bekanntlich auf der Lemmenhofwiese die »Schlacht am Berg
Isel« gefilmt. Die bürgerliche Presse entsandte dazu ihre
Kriegsberichterstatter, die ob der Schlacht, wie es sich für
bürgerliche Presse-Schlachtenbummler gehört, natürlich restlos
entzückt sind. Nur ein Schatten trübt die Freude des Zeitungsschmocks:
es gab »bloß« 37 Verletzte!
Und so jubelt denn, sozusagen mit einer Träne im Auge, der von den
»Nachrichten« auf das Schlachtfeld entsandte Redakteur:
»Es gab tatsächlich richtiges Handgemenge und scharfen Nahkampf und in
Anbetracht dieses Umstandes und wenn man bedenkt, daß 3100 Menschen im
Treffen standen, ist es eigentlich nicht gar so arg, daß die Sanität
bei 37 Verletzungen zu Hilfe gerufen wurde.
Es waren allerdings alles leichte Fälle. Nur einmal schien etwas Ernsteres
vorzuliegen: einem Unterinntaler Bauern fuhr eine der Leuchtraketen, die die
Granaten markierten, rückwärts in den Hals zwischen Rock und Hemd, wo
sie explodierte. Hals und Haare wurden dem Manne versengt, doch konnte er noch
Donnerstag wieder heimfahren. Ein anderer hatte mit allzugroßer Wucht einen
Dreschflegel auf den Kopf bekommen und war einige Minuten etwas 'damisch'.
Wie ernst es manchmal zuging, zeigt auch ein Nahkampf zwischen einem Tiroler
Schützen und einem bayrischen Offizier, der vom Gewehrkolben des Tirolers so
ernst bedroht wurde, daß er sich mit einem Säbelhieb tüchtig zur
Wehre setzen mußte, wobei der Bauer durch einen starken Hieb auf die Hand
dort eine klaffende Wunde erhielt So ist der 'Nahkampf' im Film.«
Die vaterländische Filmerei scheint demnach eine eminent
kulturfördernde Sache zu sein. Schade, daß man die Herren
Pressevertreter nicht näher an die »Front« heran und so
nähere Bekanntschaft mit Dreschflegeln und Gewehrkolben schließen
ließ. Die redakteurliche Begeisterung hätte dann sicherlich noch
heftiger aufgeloht ..."
Die Dreharbeiten zu dem Film wurden trotz der umstrittenen Resonanz in der
Tiroler Presse fortgeführt, so vor allem die zur Gefangenschaft und
Erschießung Hofers, weiche in der Festung Geroldseck in Kufstein erfolgten.
Jedoch wurden nicht alle geplanten Vorhaben - wie zum Beispiel die Kämpfe in
der Sachsenklemme - verwirklicht, wofür verschiedene Gründe eine Rolle
spielten. Vermutungen, daß den Produzenten des Films das Geld ausgegangen
sei, trat am 28. Juni 1929 der Innsbrucker Bürgermeister Franz Fischer im
»Tiroler Anzeiger« entgegen, indem er zwar eingestand, daß Kur
eine monumentale Prägung des Filmes noch einige Schlachtenbilder hätten
aufgenommen werden sollen, doch sei dies nicht wegen Geldmangels geschehen,
"sondern weil sich der Finanzier des Filmes scheute, neuerlich große
Mengen von Filmschauspielern aneinandergeraten zu lassen, da besonders die
Aufnahmen bei der Lemmenhofschlacht gezeigt haben, daß sich die
freiwilligen Komparsen so sehr in ihre Rolle hineindenken, daß nicht nur
eine Gefährdung des Körpers, sondern auch des Lebens der Mitspieler
hervorgerufen wurde. [...]"
Der Münchener Bankier hat den Film derartig großzügig finanziert,
und ist jedermanns Wunsch, in materieller Hinsicht soweit entgegengekommen,
daß er nicht übertroffen hätte werden können. Es liegt daher
keinerlei finanzieller Hintergrund in der Tatsache, daß die noch
ausständigen Aufnahmen nicht mehr gemacht wurden. Einige wenige Bilder,
welche noch mit dem Helden Speckbacher gekurbelt hätten werden sollen,
mußten wegen der schweren Erkrankung des Rollenträgers aufgegeben
werden. Es sind noch eine ganze Reihe von Trickaufnahmen zu machen, die
gegenwärtig in Berlin in den Ateliers einer großen Gesellschaft
angefertigt werden. Voraussichtlich dürfte Ende Juli der Film soweit sein,
daß einige Mitglieder des Kunstausschusses über Einladung des
Finanziers nach Berlin reisen können, um dort letzte Ratschläge
für die endgültige Zusammenstellung des Films geben zu
können."
In diesen Optimismus ließ Fischer allerdings auch kritische Untertöne
einfließen, indem er resümmierend hervorhob, "daß der
anfänglich präliminierte Betrag um 200 Prozent überschritten
wurde," daß jedoch auch "vielerorts die Begeisterung für die
Mitarbeit eine sehr materielle war und von manchen der Hoferfilm als
Ausbeutungsobjekt betrachtet wurde."
Auch wenn keine Angaben über die tatsächlichen Kosten des Films gemacht
wurden, läßt sich doch nicht von der Hand weisen, daß die
Produktion enorme Gelder verschlang. Einige Daten über die Filmaufnahmen
machen deutlich, mit welch großem Aufwand die Arbeiten durchgeführt
wurden:
"Es nahmen daran teil rund 3100 Mann, davon 280 Mann vom Bundesheer und 200
Heimatwehrleute, welche 100 Bayern und 380 Franzosen darstellten. Das Kommando
über diese »feindlichen« Truppen hatte Oberstleutnant Hilarius
Wolf, Kommandant des Alpenjägerregiments Nr. 12. Von den Tiroler
Kämpfern waren 380 Mann aus dem Bezirk Schwaz, 150 Mann aus dem Zillertal,
über 200 Mann aus dem Stubai, 440 aus dem Oberland und 80 Mann aus Seefeld,
die übrigen Teilnehmer waren aus Innsbruck und Hall. An der Aufnahme wirkten
auch drei Fahnen mit, die die Berg-Isel-Schlacht 1809 wirklich mitgemacht,
darunter die Spingeser Fahne der Stubaier. Das 90 Kilo schwere Kreuz trug ein
Einberger aus Brixlegg. Es wurden von 7 Aufnahmeapparaten zirka 1000 Meter
gekurbelt."
Das Filmmaterial wurde im Sommer 1929 geschnitten und der Film in den Ateliers
fertiggestellt. Seine Premiere erfolgte am 15. Oktober des gleichen Jahres im
Lichtspielhaus der UfA in München, wo er "unter stärkstem
Beifall'' aufgenommen wurde. Vier Tage später war der Film erstmals auch in
Innsbruck zu sehen.
"... ein äußerst eindrucksvolles Manifest für das Tiroler
Volk."
Am Samstag, den 19. Oktober 1929 fand im Innsbrucker Zentralkino die
österreichische Uraufführung des Andreas-Hofer-Filmes vor geladenen
Gästen statt. Zu diesem Zeitpunkt war er schon in diversen Kinos im
Deutschen Reich angelaufen und hatte allerorten positive Kritiken bekommen.
Bewundert wurde die Darstellung des Andreas Hofer durch Fritz Greiner, "eine
überragende suggestive Leistung. Neben ihm verheißen die ins
Symphonische gehobene Illustration von Herrnann Ludwig und der präzise
musterhafte Bildschnitt, den Dr. Werner Klette besorgte, den Film zu einem
Erfolg, der aller Voraussicht nach den Film für mehrere Wochen auf dem
Spielplan halten wird.'' Ein "in jeder Hinsicht vollendetes Werk moderner
Filmkunst", berichteten die »Leipziger Neueste Nachrichten« mit
dem eine "der stolzesten Abschnitte aus der Geschichte deutscher Stämme
t...] ein Denkmal erhalten" hat.
Solchen überaus positiven Stellungnahmen stand der »Tiroler
Anzeiger« in nichts nach, obgleich er auch nicht mit kritischen Anmerkungen
sparte:
"Mag auch durch den Film das rein Geschichtliche dieses Kampfes für
den, der hierüber wenig oder nicht unterrichtet ist, nicht genügend
verdeutlicht worden sein, für uns Tiroler, die wir von dem Heldenkampfe
unserer Altvorderen 1809 wohl einiges wissen, ist dieser Film jedenfalls ein
großes Erlebnis und spricht zu Hort und Gemüt eine so eindringliche
Sprache, daß jedem patriotisch oder doch menschlich Fühlenden das Auge
naß wird. Das malerisch Schöne unserer Heimat ist in wundervollen
Bildern eingefangen und die Hauptdarsteller bringen ihre Rollen zu packender
Wirkung; allen voran Fritz Greiner als Andreas Hofer, ein Hofer, wie
figürlich und in seinem Gehaben nicht besser gedacht werden könnte.
Maly Delschaft als Hofers Frau bereitet unserer Phantasie, die sich Hofers Gattin
mehr als robuste Tiroler Wirtin in reiferen Jahren vorstellt, wohl einige
Schwierigkeit, sie läßt aber dies uns fast vergessen, wenn sie in
ergreifendem Spiel uns entgegentritt. Ganz prächtig in Figur und Haltung ist
auch Hofers Adjutant Eisenstecken (Carl de Vogt) und der Gasteiger-Wirt (Rolf
Pinegger). Das Liebespaar - die Moidl vom Gasteiger-Wirt und ein Sergeant -
bringen die Tragik ihrer Zuneigung ebenfalls in erschütternder Art zum
Ausdruck. Die vielen Kampfszenen sind voller Leben und Bewegung und
veranschaulichen treffend das Ringen der freiheitsliebenden Bauernscharen gegen
ein für damalige Begriffe modernes Heer. Sowohl die Berg-Isel-Schlachten wie
namentlich das Ringen bei der Haller Innbrücke sind von aufrüttelnder
Wucht. Etwas vom Schönsten dieses Filmes sind die Szenen in der Hofkirche,
der Abschied Hofers von Weib und Kind im Kerker zu Mantua und schließlich
das unglückliche Ende des Helden vor den Gewehrläufen der feindlichen
Militärabteilung. Alles in allem ist zu sagen, daß der Film ein Werk
geworden ist, das seinen Meister lobt und das wohl geeignet ist, den Namen Tirol
in der weiten Welt ehrend ins Erinnern zu rufen und auch die Begeisterung
für die Idee zu wecken, der es dienen will."
Aus heutiger Sicht mag der Film vielleicht anders beurteilt werden, damals wurde
er im gesamten deutschen Sprachraum gezeigt und avancierte zu einem beachtlichen
Kinoerfolg.
Leider läßt sich nicht mehr feststellen, wie lange er in den Kinos
gezeigt wurde, doch ist anzunehmen, daß er bereits Anfang der 193Oer Jahre
den konkurrierenden Tonfilmen weichen mußte. Diese hatten nämlich seit
1927, also bereits zwei Jahre bevor der Andreas-Hofer- Film produziert wurde,
ihren Siegeszug auf der Leinwand angetreten und verdrängten aus den
Spielplänen der Kinos mehr und mehr die Stummfilme, welche in den Depots der
Verleihfirmen verstaubten oder gar verlorengingen.
Das Thema "Andreas Hofer" bzw. die Tiroler Erhebung von Anno 1809 blieb
jedoch für Filmproduzenten auch in späteren Jahren aktuell. "Der
Rebell" aus dem Jahre 1932 oder "Der Feuerteufel" (1940) von und
mit Luis Trenker, sind wohl die bekanntesten Filme, die den Tiroler
Freiheitskampf künstlerisch umsetzten, wenn auch ihr propagandistischer
Charakter bzw. ihre politische Wirkung nicht unumstritten waren und sind. Der
Heimatfilmboom der Nachkriegszeit brachte den Film "Das letzte
Aufgebot" im Jahre 1952 hervor, eine österreichische Produktion, in der
im Mittelpunkt das Drama eines Tiroler Bauernsohns vor dem Hintergrund des
Tiroler Aufstandes steht. Eine Filmproduktion über die Kämpfe des
Jahres 1809 wurde im Zusammenhang mit dem 150jährigen Gedenken an die
Bergiselschlachten zwar angeregt, die politische Lage wie auch die Kosten
für ein solches Projekt verhinderten jedoch dessen Verwirklichung. Erst 25
Jahre später produzierte der Tiroler Filmemacher Christian Berger einen
mehrfach ausgezeichneten Film zum Thema Anno 1809. In seinem Film
"Raffl" aus dem Jahre 1984 spielte allerdings nicht Andreas Hofer die
Hauptrolle, sondern wurde ein subtiles Psychogramm des Verräters Franz Raffl
gezeichnet. Ob sich der Tiroler Freiheitskampf das Jahres 1809, der Mythos
Andreas Hofers, die Heroisierung seiner Mitkämpfer weiterhin als Filmstoff
eignen werden oder ob völlig neue Zugänge, Interpretationen oder
Umsetzungen eine veränderte Sichtweise jenes Abschnittes der Tiroler
Geschichte bringen werden, muß die Zukunft zeigen.
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