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Franz Caramelle Das Innsbrucker Riesenrundgemälde. Der Tiroler Freiheitskampf auf 1000m2 Leinwand
Von den zahllosen Denkmälern, die an Tirols Heldenzeit- die
Freiheitskämpfe von 1809- erinnern, besitzt eines durch seinen
singulären Charakter besondere kulturhistorische Bedeutung: das sogenannte
Riesenrundgemälde, auch "Panorama" genannt, am Rennweg neben der
Talstation der Hungerburgbahn. Das gewaltige, über 1000 m2 große
Leinwandbild, das die denkwürdige dritte Bergiselschlacht vom 13. August
1809 zeigt, wurde schon bei seiner Enthüllung im Jahre 1896 von der
Öffentlichkeit enthusiastisch gefeiert und ist heute eine der meist
bewunderten Sehenswürdigkeiten der Tiroler Landeshauptstadt.
Entwicklungs- und Entstehungsgeschichte des Panoramas
Anläßlich der großen Tiroler Landesausstellung im Jahre 1893
ging von dem Schriftsteller Josef Calasanz Platter, der sich als Sekretär
des Tiroler Fremdenverkehrsverbandes große Verdienste erworben hatte, und
dem nicht minder verdienstvollen Sekretär der Tiroler Handelskammer, Dr.
Anton Kofler die Anregung aus, in Innsbruck ein Kolossalgemälde errichten zu
lassen, das eine Schlacht aus den Tiroler Freiheitskriegen aus dem Jahre 1809 zum
Inhalt haben sollte. Der Plan fand allgemein Beifall, die Finanzierung des
kostspieligen Unternehmens konnte bald gesichert, die Platzfrage geklärt
werden. 1896 war in Innsbruck eine große internationale Sportausstellung
geplant, und bis zu diesem Zeitpunkt sollte der Gedanke verwirklicht sein.
Platter wandte sich an den bekannten Alpen- und Panoramamaler Michael Zeno Diemer
in München, der sich nach monatelangem Zögern schließlich bereit
erklärte, den attraktiven Auftrag zu übernehmen. Diemer (1867-1939)
hatte sich mit zahlreichen Aquarellen von den Alpen einen Namen gemacht und 1893
durch ein riesiges Gletscherdiorama für die Weltausstellung in Chicago
internationale Berühmtheit erlangt. In den darauffolgenden Jahren wandte er
sich hauptsächlich der Panoramamalerei zu. München war damals für
diese Art von Monumentalmalerei geradezu prädestiniert: die Stadt war ein
Zentrum der Historienmalerei (die sogenannte Münchner-Schule wurde bald zu
einem festen Begriff) und des Naturalismus große Schlachtenpanoramen wurden
daher zur ausgesprochenen Modeerscheinung. Packende historische Ereignisse
konnten in gewaltigen Dimensionen auf Breit- oder Rundgemälden dargestellt
werden, in einer meist romantisch gefärbten, detailreichen Landschaft, mit
zahlreichen, wildbewegten Schlachtenszenen und derart wirklichkeitsnahen Details,
daß Realität und Illusion zu verschmelzen schienen. 1894 hat Diemer
mit den Vorbereitungen für das Bergisel-Rundgemälde begonnen,
zunächst mit dem Studium des historischen Hintergrundes, wobei die neuesten
geschichtlichen Forschungen von Oberst Freiherrn von Maretich und von
Militärintendant Schmid als Grundlage dienten. Natürlich besuchte
Diemer auch des öfteren Innsbruck, um die örtlichen Gegebenheiten, die
charakteristischen Geländeformen und Gebirgskulissen kennenzulernen. In
diesem Zusammenhang ist ein Brief von Albin Egger-Lienz von besonderem Interesses
der Diemer auf die Schwierigkeiten der Einbeziehung der Landschaft in die
Schlachtenszenerie aufmerksam machte. Er schreibt am 29. April 1894: "Wie
steht's mit der Panorama-Angelegenheit? Ich war vor etlichen Wochen . . . in
Innsbruck und wanderte auf den Bergisel, welcher ja eigentlich kein Berg ist, und
hielt Rundschau. Ich halte die Aufgabe, die da für Dich gestellt ist,
für nicht sehr dankbar, da die Szenerie eigentlich der Kampfplatz
hauptsächlich war. Allerdings müßten die Stadt und die
nördlichen Kalkalpen sehr gut stehen. Und ich glaube, daß die
Innsbrucker sehr auf historische Richtigkeit der Handlung und der Gegend sehen,
aber ich zweifle nicht, unter Deiner Hand wird entschieden etwas Tüchtiges
hervorgehen." Die Bedenken von Egger-Lienz, mit dem ihn seit der gemeinsamen
Akademiezeit eine enge Freundschaft verband, scheinen Diemer tatsächlich zu
noch gewissenhafterer Vorbereitung getrieben zu haben. 1895 durchzog er mit dem
Fahrrad Tirol, fertigte eine Unmenge von Landschaftsskizzen an, übte sich in
Trachtenkunde, las Aufzeichnungen über die Tiroler Freiheitskriege, erfragte
historische Überlieferungen und Legenden aus den im Volk tief verwurzelten
Bergiselschlachten, studierte die Wesensmerkmale und Physiognomien der
Menschentypen aus den verschiedenen Landesteilen Tirols und sammelte Militaria
aus Napoleonischer Zeit. Um die Bewältigung der technischen Schwierigkeiten
bei der Ausführung des Riesenbildes machte sich Zeno Diemer keine Sorgen, da
er im März 1895 gerade sein erstes großes, mit überschwenglichem
Lob bedachtes Panorama - die Schlacht von Orleans - in München
fertiggestellt und dabei genug Erfahrungen gesammelt hatte, um an ein
ähnliches, wenn auch bedeutend größeres Vorhaben heranzutreten.
Außerdem hatte er im Frühjahr desselben Jahres auch noch den Auftrag
zur Mitarbeit an einem Rundgemälde über die Erstürmung von
Bazeilles während der Schlacht von Sedan (in einem Panorama auf der
Münchner Theresienhöhe) angenommen. So wurde denn auch die
Zeitknappheit das größte Problem für den vielbeschäftigten
Künstler. Da aber Diemer, der für die Bergwelt Tirols eine besondere
Vorliebe hatte und das Bergisel-Rundbild nun nach den intensiven Vorbereitungen
unbedingt malen wollte, um diese Problematik wußte, ging er mit einem exakt
ausgearbeiteten Terminplan ans Werk. Im Sommer 1895 mietete er in Igls ein Haus,
um dort die Vorarbeiten ungestört und möglichst nahe am
"Geschehen" durchzuführen. Dann wurde in einem Atelier in
München-Schwabing ein Modell des Panoramas gebaut (im Maßstab 1: 10)
mit den wichtigsten Kompositionen, wie Hauptszenen und Schlachtengruppen, den
Hintergrün-den und Landschaftsausblicken. Sämtliche Entwürfe des
Künstlers wurden I übrigens nicht nur von den Innsbrucker
Auftraggebern, sondern auch vom berühmten Maler Franz von Defregger
begutachtet und äußerst positiv beurteilt. Diemer schreibt
darüber in seinen Erinnerungen: "Franz von Defregger, der von den
Innsbrucker Auftraggebern bestimmt war, die Arbeit zu überwachen, kam
öfters in mein Atelier und unterstützte meine Arbeit in willkommenster
Weise; er gab mir wertvolle Ratschläge und lieh mir alte Tiroler
Kostüme." Außerdem bemühte sich Diemer, qualifizierte
Mitarbeiter zu engagieren, die auf seine Ideen eingehen und seinen Malstil
beherrschen mußten. Es war ein glücklicher Zufall, daß der
geniale Zeno Diemer mit den Münchner Malern W. Flauscher, A. Niedermair und
A. Pätzold und dem Innsbrucker, aus Matrei i. O. stammenden Franz Burger
kongeniale Mitarbeiter gewinnen und ein außerordentlich tüchtiges
Künstlerteam zusammenstellen konnte Vor allem die Beiziehung von Burger war
wichtig, weil er auch am Schlachtenbild von Orleans mitgearbeitet hatte und mit
der heiklen Technik der Leimfarbenmalerei bestens vertraut war. In der
Zwischenzeit war man auch in Innsbruck nicht untätig. Nachdem von Diemer die
exakten Maße der Riesenleinwand bekanntgegeben worden waren, erteilte man
dem Münchner Baumeister David Niederhofer den Auftrag, ein Panorama aus Holz
zu errichten, und zwar auf dem von der Stadt zur Verfügung gestellten Platz
im Saggen "nahe den Viaduktbögen", südlich der
Bundesbahndirektion, im Zwickel Claudiastraße/Ing.-Etzel-Straße.
Innerhalb von zwei Monaten, im Dezember 1895, war das Gebäude fertig. Anfang
Jänner 1896 wurde die Riesenleinwand - in Bahnen gewebt, mehrfach
zusammengenäht, am unteren Rand der Spannung wegen mit ca. 100 Steinen
behängt - aufgezogen. Endlich konnten die Maler mit ihrer Arbeit beginnen;
bis zum Fertigstellungstermin, auf dessen rechtzeitige Einhaltung eine erhebliche
Konventionalstrafe festgesetzt worden war, waren knapp fünf Monate Zeit.
Noch mitten im Winter mehrere Ofen waren dauernd in Betrieb - wurde die Leinwand
grundiert und großflächig vorgemalt. Die weiteren, für alle
Beteiligten überaus anstrengenden Arbeiten hat Zeno Diemer selbst treffend
beschrieben: "Tagsüber malte ich fleißig an der Erstürmung
von Bazeilles in dem Panoramagebäude auf der Theresienhöhe, und abends
bis Mitternacht saß ich an den Detailzeichnungen der Bergiselschlacht, die
ich jeden Sonntag nach Innsbruck brachte, wo meine dortigen Mitarbeiter... sie
durch das Gitter auf die große Leinwand übertrugen. So pendelte ich im
Winter 1895/96 ständig zwischen Sedan und Bergisel hin und her. Zu Ostern
war ich mit dem übernommenen Arbeitsteil am Barzeilles-Panorama fertig und
konnte ganz in Innsbruck arbeiten. Es war auch höchste Zeit, wenn ich mit
dem Bilde bis zum großen Tiroler Landesschützenfest fertig werden
sollte. Die Berglandschaft malte ich ganz allein, ebenso die Hauptgruppe mit
Andreas Hofer und seiner Umgebung. Franz Burger erwarb sich mit der sauberen
Durchführung der Stadt Innsbruck und den Wiltener Kirchen ein besonderes
Verdienst." Die letzten Wochen vor dem Pfingstfest, das als Termin
vertraglich vereinbart war, waren von großer Hektik gekennzeichnet.
Zusätzliche Hilfskräfte wurden angeheuert, Nachtschichten mußten
eingelegt, die nervösen Arbeitgeber beruhigt werden. Was diese nicht mehr
für möglich hielten, wurde am Abend des 12. Juni 1896 Wirklichkeit:
nach einer reinen Malzeit von nur drei Monaten (!) - angeblich wurden 4726 Kilo
Farbe und 5000 Kilo Leinen verbraucht - war das Rundgemälde fertig und
konnte am Pfingstsonntag, den 13. Juni 1896 -an diesem Tag fand in Innsbruck ein
großes Schützenfest zum 100-Jahr-Jubiläum der Weihe Tirols an das
Herz Jesu statt - feierlich eröffnet werden. Von der Eröffnungsfeier
hat uns Diemer selbst eine köstliche Episode überliefert: "Ein
alter Bauer in Ultentaler Tracht sprang über das Geländer auf den
plastischen Vordergrund und wollte mit seinem Hut das verglimmende Wachtfeuer
löschen, das er für echt hielt. Es war nur aus rotem Stanniolpapier.
Der eifrige Feuerlöscher aber brach ein zwischen den Brettern und wäre
beinahe ins ,erdinnere' gestürzt." Der Besuch der Innsbrucker, die sich
an der plastischen Wirkung und dem realistischen Gesamteindruck des Bildes
begeisterten, war in den ersten Wochen äußerst rege, in Zeitungen und
Reiseführern wurde das Panorama als außerordentliche Attraktion
gewürdigt. Bald jedoch begann für das Rundgemälde eine
beispiellose Odyssee, die es wie durch ein Wunder heil überstanden hat.
Schon im ersten Winter (1896/ 97) drückten die Schneemassen mehrere Fenster
des Gebäudes ein und beschädigten das Bild schwer (Franz Burger hat die
Schäden wieder ausgebessert), das Publikumsinteresse flaute plötzlich
ab, die Besitzer wechselten in rascher Folge, das Panorama verwahrloste
zusehends. Schließlich beschloß man, das Gemälde bei der
Weltausstellung in London zu zeigen; Anfang Februar 1906 wurde die Leinwand
abgenommen, in Kisten verpackt und auf den Bahnhof gebracht- welch
glücklicher Zufall, denn eben zu dieser Zeit, in der Nacht vom 5. auf den 6.
Februar 1906, brannte das nunmehr leere Panoramagebäude vollständig ab.
Als das Gemälde aus London wieder zurückkam - dort war es mit einer
Goldmedaille ausgezeichnet worden-, ließen die neuen Eigentümer, Dr.
Max Gleich und Anton von Guggenberg, vom Innsbrucker Baumeister Josef Retter den
heute bestehenden Bau an der Kettenbrücke errichten. Der Besuch blieb
weiterhin schwach, 1917 wurde daher das Rundgemälde nach Wien verliehen, im
Prater hatte man dafür ein eigenes Gebäude errichten lassen. Da die von
den Veranstaltern erhofften Einnahmen abermals nicht erzielt werden konnten - der
Erste Weltkrieg hat das anfängliche große Interesse der Wiener bald
sinken lassen -, war nun daran gedacht, die Riesenleinwand umzumalen und eine
aktuelle Schlacht des Weltkrieges darzustellen. Dieses Vorhaben wurde freilich
ebenso wenig realisiert wie der Plan, das Bild nach Amerika zu verkaufen
(angeblich für 40.000 Dollar, nach dem damaligen vorinflationären Kurs
8,800.000 Kronen), obwohl der Verlust des Bildes nicht mehr abwendbar schien,
sodaß Rudolf Granichstaedten-Czerva 1920 anklagend schrieb: "So
dürfte also doch dieses Wahrzeichen Innsbrucks dem Ausverkauf
Österreichs zum Opfer fallen. Jetzt, wo wir das halbvergessene Werk
verlieren, werden wir inne, welchen Wert das prachtvolle, unbeschreiblich
lebendige Bild für uns hatte und wie schmerzlich wir es vermissen
werden." Da alle diese Pläne zum Glück schließlich doch
scheiterten, wurde die Leinwand wieder verpackt und für etliche Jahre in der
Wiener Hofburg deponiert. Anfang Mai 1924 gelang es endlich dem Innsbrucker Josef
Hackl, dem weitum bekannten Wirt zum "Goldenen Adler" in der Altstadt,
das Rundgemälde zu ersteigern und wieder nach Innsbruck zurückzuholen.
Der Kaufpreis betrug 261 Millionen Kronen - es war kurz vor dem Höhepunkt
der Inflation. Hackl erwarb auch das bereits dem Verfall preisgegebene
Panoramagebäude und ließ es mit erheblichen Kosten instandsetzen.
"Diesem kunstsinnigen, patriotischen Mann, der keine Mühe und Opfer
gescheut hat, das bodenständige Werk der Heimat wiederzuerwerben, ist es
also zu verdanken, daß das Rundgemälde dem Lande Tirol und der
Landeshauptstadt erhalten blieb." (Josef Hirn). Am 17. August 1924 wurde das
Panorama wiedereröffnet. Heute werden jährlich über 200.000
Besucher gezählt.
Historischer Rückblick
Die Tiroler gehörten seit dem Mittelalter (1363) zu Österreich und
waren seit jeher gewohnt, in Freiheit zu leben. Als Österreich im Frieden
von Preßburg 1805 Tirol an Bayern abtreten mußte, wurde den Tirolern
diese Freiheit genommen. Es kam sofort zu Spannungen und provokanten
Vorfällen, allmählich zu bewaffneten Auseinandersetzungen und
schließlich zum Aufstand des ganzen Volkes. Die Bergiselschlachten im Kampf
gegen die Truppen Kaiser Napoleons wurden so gewissermaßen zum Sinnbild des
Kampfes um die Freiheit, die Schlacht vom 13. August 1809 - die dritte
Bergiselschlacht - ist als ruhmreichste in die Tiroler Geschichte eingegangen.
Ausgangspunkt für diese Schlacht war die Niederlage der Österreicher in
Wagram (5. Juli 1809) und der Waffenstillstand von Znaim (12. Juli 1809),
demzufolge die kaiserlichen Truppen unter General Buol Tirol verlassen
mußten. Napoleon ließ nun das Land, um es nach zwei
mißglückten Versuchen neuerlich zu erobern, zugleich von Norden, Osten
und Süden angreifen. Das aus Salzburg ins Inntal vorrückende 7.
Armeekorps unter Marschall Lefebvre, dem Herzog von Danzig, (I. und III.
bayerische Division und thüringische Division unter General Rouyer) sollte
in Brixen und Bozen die Vereinigung mit den durchs Pustertal beziehungsweise
Etschtal anrückenden französischen Truppen unter Ruska und Peyri
bewirken, während das durch Scharnitz und über Reutte vorgehende
französische Armeekorps unter General Beaumont durchs Oberinntal über
den Arlberg zur Niederwerfung der Vorarlberger abrücken sollte. Dieser
geniale Schlachtplan verlief zunächst sehr erfolgreich, zumal Lefebvre die
Landeshauptstadt ohne nennenswerte Verluste einnehmen konnte. Als jedoch die
Division Rouyer nach Süden vordrang, wurde sie in zahlreiche
Scharmützel verwickelt und schließlich bei Sterzing von Hofer,
Haspinger und Speckbacher besiegt. Gleichzeitig wurde Bourscheidt bei der
Pontlatzerbrücke von den Oberinntalern und Obervinschgauern besiegt,
während Ruska im Pustertal zurückgeschlagen wurde. Unter diesen
Umständen zog Lefebvre seine erschöpften Truppen am 11. August 1809
wieder in Innsbruck zusammen und faßte den Beschluß, Tirol vorderhand
zu räumen, um das hartnäckige Land ein ander Mal, mit mehr Soldaten und
besserer Strategie, endgültig zu besiegen. Er wollte nur noch einige Tage in
Innsbruck bleiben, um seinen erschöpften Truppen etwas Ruhe zu gönnen
und die inzwischen leeren Proviantlager wieder aufzufüllen. Lefebvre hatte
freilich nicht mit der Kampfkraft der Tiroler gerechnet, die auf diesen
günstigen Augenblick offenbar gewartet hatten. Während die
französischen und bayerischen Truppen in und um Innsbruck lagerten, um sich
von den Strapazen der letzten Tage zu erholen, rückten die Tiroler aus allen
Landesteilen an, versammelten sich an strategisch wichtigen Punkten an der
Peripherie von Innsbruck und bereiteten sich auf die Großoffensive vor.
Andreas Hofer - der Anführer der Tiroler - hatte von seinem Hauptquartier
aus, dem Gasthof "Schupfen", den Sonntag, den 13. August 1809, als
Angriffstag festgelegt. Sein Kommando lautete: 1. Am rechten Flügel sollte
Speckbacher mit den Leuten vom Mittelgebirge (unter Angerer und Rangger) und 14
Kompanien Meraner (unter Tschöll) den Paschberg mit der Sillbrücke und
anschließend Amras einnehmen. 2. Das Zentrum unter Hofer selbst, bestehend
aus Passeirern (unter Laner) Pustertalern (unter Mayr), Brixnern und Schabsern
(unter Kemenater) hatte den Bergisel zu besetzen. 3. Haspinger - am linken
Flügel -sollte mit den Klausnern und Villanderern (unter Mayrhofer) und den
Untervinschgauern (unter Graf Mohr) über Mutters und Natters zum
Sarntheinhof marschieren und sich in Mentlberg mit den von Bucher befehligten
Axamern, Götznern, Sellrainern, Innsbruckern und Höttingern und jenen
aus Mutters und Natters vereinigen. 4. Firler hatte die Aufgabe, mit seinen
Leuten (Ötztalern, Imstern, Miemingern, Landeckern und Nauderern) über
Kranebitten und Hötting vorzustoßen und die Innbrücken bei
Mariahilf und Mühlau zu erreichen. Das Konzept Andreas Hofers war klar: Der
Feind lagerte im Inntal, war von allen Seiten eingekesselt und sollte durch einen
Mehrfrontenangriff zermürbt und besiegt werden. Auch die Truppenstärke
war bekannt: 15.000 Tirolern - vornehmlich Bauern, im Verhältnis zum Gegner
schlecht ausgerüstet und größtenteils ohne Kampferfahrung-
standen 16.000 bestens ausgerüstete, kampferprobte Soldaten, vornehmlich
Bayern und Sachsen, gegenüber, die allerdings von den Vorkämpfen
gezeichnet und hinsichtlich Ortskenntnis und Motivation den Tirolern von
vornherein unterlegen waren. Schon früh am Morgen jenes 13. August begannen
sich die Tiroler zu formieren. Bereits um 2 Uhr las Pater Haspinger in Mutters
seine Messe und erteilte die Generalabsolution. Andreas Hofer ging in
Schönberg in die Kirche, eilte dann, "nachdem er sich noch mit einem
kräftigen Schluck gestärkt hatte", nach Unterberg zu den bereits
dort versammelten Bauern und soll schließlich mit den legendären
Worten "Seids beinand, Tiroler? Nacher gehn mers an. Die Möß
habts gheart, enkern Schnaps habts trunken, also auf in Gotts Nam!" das
Zeichen zum Aufbruch in die Schlacht gegeben haben. Zur selben Zeit - etwa um 7
Uhr -war die bayerische Generalität eben in der Stiftskirche Wilten zum
sonntäglichen Gottesdienst versammelt, als plötzlich die Meldung
über den Anmarsch der Tiroler eintraf und auch schon die ersten Schüsse
zu hören waren. Sofort ließ General Deroy das Lager alarmieren und
ordnete eine Aufstellung an, die das Gelände am Fuß des Bergisel an
vier strategisch wichtigen Punkten absichern sollte: in Mentlberg (Generalmajor
von Vicenti), bei Wilten (Generalmajor von Sibein), nahe den Sillhöfen
(Major von Büllingen) und beim Dorf Amras (Oberstleutnant von Waldschmidt).
Die kampfstarke 1. Division stand in Bereitschaft. Marschall Lefebvre und sein
Generalstab hielten sich nahe der Wiltener Stiftskirche auf. Um 8 Uhr begannen
die Tiroler mit dem Kampf, zunächst südlich des Inns, ab 10 Uhr auch in
Kranebitten, Hötting und Mühlau. Der gesamte Talkessel war von
Schlachtenlärm und Pulverdampf erfüllt. Die schnellen Anfangserfolge
der Tiroler wurden mit Fortdauer des Kampfes vor allem durch die bayerische
Artillerie wettgemacht; kaum war es den Bauern gelungen, eine Bresche in die
feindlichen Linien zu schlagen, wurden sie wieder zurückgeworfen. Endlich,
um die Mittagszeit, schienen die Tiroler doch einen entscheidenden Vorteil
erkämpft zu haben Aber Lefebvre gab sich noch nicht geschlagen; für 2
Uhr nachmittag hatte er eine Großoffensive angeordnet, in fünf
gleichzeitig vorgetragenen Angriffen sollte der Bergisel zurückerobert
werden. Der Kampf wurde fast drei Stunden mit größter
Hartnäckigkeit geführt, bayerische Abteilungen waren bereits auf die
Höhen des Bergisels gedrungen, als um 5 Uhr Andreas Hofer in
größter Bedrängnis die mittlerweile herangezogenen Stubaier unter
Pfurtscheller, die Grieser, Steinacher und Matreier ins Gefecht schickte. Der
Vorstoß gelang: die Bayern mußten zurückweichen, Speckbacher
stürmte über die Sillbrücke vor und erstickte mit wilden Attacken
alle weiteren Angriffsversuche Lefebvres. Etwa um 6 Uhr abends war das Gefecht
beendet. Die siegreichen Tiroler, denen Andreas Hofer verboten hatte, den
Talboden zu besetzen, zogen sich nach dem Ave-Läuten nach und nach in die
benachbarten Ortschaften zurück. Die Schlacht hat auf Seite der Bayern
über 1000 Tote gefordert, von den Tiroler Verlusten gibt es keine
verläßlichen Angaben - es dürften mindestens ebensoviele gefallen
sein. In der Nacht vom 14. auf 15. August rückten die Truppen Lefebvres aus
Tirol ab, am Morgen des Hohen Frauentages 1809 (15. August) zog Hofer als
vielbejubelter Befreier des Landes in Innsbruck ein.
Charakterisierung des Innsbrucker Panoramas
Das Innsbrucker Panorama ist ein schlichter, zwölfeckiger Bau (Durchmesser
30 m, Höhe 20 m) mit Streben an den Kanten, leicht vorspringendem, flachem
Zeltdach, das durch einen Lichtgaden mit dreiteiligen Sprossenfenstern an jeder
Seite unterbrochen und von einem offenen Türmchen mit Haube abgeschlossen
wird. Die aus der Erbauungszeit stammende Ornamentmalerei wurde
anläßlich der letzten Restaurierung 1976 erneuert. Durch eine
krüppelwalmgedeckte, ebenerdige Vorhalle und über eine steile,
geradläufige Treppe gelangt der Besucher in das Innere des Panoramas, das
sich nun als gewaltige Rotunde entpuppt. Von einem hölzernen Umgang in der
Mitte aus bietet sich das von der Brüstung etwa 7 m entfernte Rundbild dem
Beschauer dar, der Zwischenraum (Vordergrund) ist als Geländeimitation mit
Erde, Steinen, Reisig, Zweigen, Moos usw. ausgefüllt und leitet fast nahtlos
zur gemalten Leinwand über. Das riesige Gemälde wird durch Sonnenlicht
indirekt beleuchtet, der Blick zu den Obergadenfenstern und zur Holzkonstruktion
des offenen Dachstuhls wird durch eine weite, zeltförmige Plane verhindert.
Das Bild zeigt jenen entscheidenden Moment der 3. Bergiselschlacht, in dem am
Nachmittag gegen 5 Uhr der letzte von Marschall Lefebvre geleitete Ansturm
siegreich abgeschlagen wird. Beim Betreten des Podiums scheint der Besucher
unmittelbar in die Schlacht verwickelt zu werden, denn sein Standpunkt befindet
sich inmitten des Kampfgetümmels, und zwar in der Höhe des ehemaligen
Buchhofes (etwa am Auslauf der heutigen Bergisel-Sprungschanze). Zugleich ist er
von der imposanten Landschaft fasziniert, die im Abendrot erglüht. Der Blick
wandert von der Martinswand, dem Hechenberg, Solstein, Frau Hitt bis hinab zum
Kaisergebirge und Kellerjoch. In der weiten Talebene liegt das Stift Wilten, im
Hintergrund die Stadt Innsbruck. Die ganze Gegend ist erfüllt von
Rauchschwaden, Pulverdampf und einer Dunstschicht, auf den umliegenden Höhen
brennen die Einzelhöfe. Die Naturtreue der Szenerie ist so
überwältigend, der Kampf in vielen Details so realistisch dargestellt,
daß eine bloße Beschreibung des Gemäldes immer
unvollständig sein wird. Da stürmen Soldaten des 9.
Infanterieregiments, voraus ein junger Offizier, empor, ihnen entgegen die
wackeren Eisacktaler unter dem kampfesmutigen Kapuziner Haspinger. Dort, wo heute
das Bergiselmuseum steht, dringt ebenfalls ein Bataillon der Bayern vor, einzelne
Bauern haben sich zu weit vorgewagt, eine feindliche Granate schlägt mit
verheerender Wirkung ein. Der Sarner Fähnrich ruft den Wirt von der Mahr zur
Hilfe, der mit seinen Eisacktalern im rechten Augenblick erscheint, ebenso die
Eggentaler mit ihren schwefelgelben Röcken. In malerischer Hinsicht
dürften hier die schönsten Gruppen des Panoramas sein. An der
Sillbrücke unten kämpfen die Landstürmer unter dem kühnen
Speckbacher. An der südlichen Höhe ist Hofers Generalstab. Im
Mittelpunkt steht der Oberkommandant selbst, Andreas Hofer, in ruhiger,
selbstbewußter Haltung. Ein Teil der Bauern stürmt über den
querlaufenden Zaun vor, hinter dessen Deckung die Passeirer Schützen
Stellung beziehen. Eine Granate schlägt ein, zu Tode getroffen stürzen
einige kräftige Tiroler nieder, eine mutige Marketenderin bringt den
Verwundeten im dichten Kugelregen Labung, ein anderes Mädchen kniet bei
einem sterbenden Burschen und weint bitterlich. Da steht ein Häuflein
gefangener Sachsen, in der Nähe spendet ein Priester einem Sterbenden die
Letzte Ölung, neben der Hütte stürmen die Algunder hervor, um ihre
in Bedrängnis geratenen Kampfgenossen zu unterstützen. Die Illusion, in
das Jahr 1809 zurückversetzt zu sein, ja unmittelbar am Kampf teilzunehmen,
ist für den heutigen Besucher ebenso stark wie bei der Eröffnung des
Panoramas, als es in den Innsbrucker Nachrichten hieß: ". . . Mir
ist's, als sei ich in tiefen Schlaf versenkt und träume. Plötzlich
ist's Abend geworden, ich stehe am Berg Isel in der Nähe des Bahnhofes an
einem jener schwülen, heißen Sommertage, an denen abends die Luft noch
sehnsüchtig zittert und bebt unter den letzten heißen
Sommerküssen. Da und dort hängen noch Glutfunken am Geschröf,
während an anderen Stellen das Felsgezack geisterbleich emporstarrt in den
Abendhimmel oder die bläulichen, wallenden Dämmerungsschleier
herniedersinken. - Ich habe jenes Doppelgefühl, wobei die Empfindung der
bewußten Traumillusion und Wirklichkeit sich mischen. Die Wiltener Felder
sind mit Truppen bedeckt, geschichtliche Erinnerungen erwachen, das Zeitrad dreht
sich um einige Speichen rückwärts, ich fühle, was vorgeht, rings
wütet ein Kampf um Vaterland und Leben; blutrot, lorbeerumkränzt taucht
es empor: 1809!"
Zusammenfassung
"Panorama ist eine Kunst, mit der ein Bedürfnis der Menschen zur
Realität und zum unmittelbaren Miterleben gestillt wurde, mit der das Volk
erstmals die Möglichkeit bekam, sich in Masse an Bildern zu
ergötzen." Mit diesen Worten hat Paul Werner die Rundgemälde
charakterisiert, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa
und in Amerika in großer Zahl entstanden sind. Die meisten dieser Panoramen
sind allerdings mit dem Aufkommen des Films und in den Wirren der Weltkriege
verschwunden. So ist das Innsbrucker Rundpanoramenbild das einzige in seiner
ursprünglichen Form in Österreich erhaltene Dokument einer besonders im
19. Jahrhundert weltweit verbreiteten Kunstform der Historienmalerei. Obwohl die
über 1000 m2 große Leinwand im Laufe der Zeit mehrmals abgenommen und
zusammengerollt, dabei natürlich beschädigt und 1921 vom Kunstmaler
Ludwig Sturm vollständig restauriert wurde, ist die originale Malerei von
Zeno Diemer und seinen Mitarbeitern nahezu unversehrt vorhanden. Zum großen
künstlerischen Wert kommt noch der geschichtliche, wenngleich Diemer die
Bergiselschlacht historisch nicht exakt wiedergeben konnte - so ist der
Feldherrenhügel mit Andreas Hofer und den beiden Wiltener Chorherren etwas
zu theatralisch geraten - und sich bei der Wahl der Trachten, die in diesen
Formen erst im 19. Jahrhundert aufkamen, geirrt hat. Nichtsdestoweniger
gehört das Innsbrucker Riesenrundgemälde zu den bedeutendsten
Kulturdenkmälern Tirols, dem schon Peter Rosegger in seinem
"Alpensommer" ein großartiges literarisches Denkmal gesetzt hat:
"Vom Bergisel stieg ich herab in das Panorama, welches in der zur Zeit
tagenden Sportausstellung stand, um die Aussicht vom Bergisel zu schauen. Es ist
die größte Kühnheit der Kunst, an Ort und Stelle mit der Natur
konkurrieren zu wollen. Dem Manne, der das Panorama der Schlacht am Bergisel
gemalt hat, ist es gelungen. Unübertrefflich ist in diesem Panorama von
Innsbruck das Landschaftsbild - das unvergleichliche Landschaftsbild, wie es so
großartig malerisch und freundlich zugleich kaum eine andere Stadt
aufzuweisen hat: Als ob mir jemand das Herz kitzelte, so mußte ich immer
wieder auflachen vor Entzücken, als ich den Rundblick auf Innsbruck tat,
sein Tal und seine Bergriesen. Nach Westen gegen Landeck Gewitterschwüle,
weit unten das Kaisergebirge im Alpenblühen. Von einem Punkt zum anderen 20
Meilen ! Als ich ins Freie trat, stand dasselbe Landschaftsbild in Natur um mich
da - und die Natur hat den Eindruck der Kunst nicht erreicht. Ein ungeheurer
Erfolg."
Bis 1979 befand sich das Panorama in Privatbesitz; heute ist es im Eigentum der
Raiffeisen-Zentralkasse für Tirol, die durch aufwendige Sanierungs- und
Restaurierungsarbeiten an Gebäude und Gemälde den Fortbestand dieses
einzigartigen Denkmals zu sichern bestrebt ist.
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