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Alfred Polgar Panorama.
"Im Prater, in der k. und k. Hauptallee, ist ein Panorama zu sehen. Seit
langer Zeit wieder: ein Panorama. Das letzte, dessen ich mich entsinne, war im
'Wurstelprater' und zeigt die Schlacht bei Saint Privat. Diesmal ist's wieder
eine Schlacht (weil doch der Mensch in diesen ruhigen Zeiten hie und da auch
etwas Kriegerisches zur Anregung der Phantasie braucht). Und zwar die Schlacht am
Berg Isel. Wenn man von den Kampfberichten, die jeder Tag bringt, sich erholen
will, geht man ins Panorama, zur Schlacht am Berg Isel. Dort ist's still und
kühl. Die Gewehre und Kanonen schießen, aber sie knallen nicht. Die
Getroffenen fahren mit der Hand ans Herz, aber es tut ihnen - dieses
tröstliche Bewußtsein haben wir - nicht weh. Feindliche Soldatenhaufen
stürmen wild den Berg hinauf, aber sie kommen nicht vom Fleck. Die Schlacht
ist in vollem Gang, aber 50 Meter daneben fährt die Rutschbahn, und das
Potpourri aus der 'Rose vom Stambul' - das Kriegsausstellungsorchester spielt es
herzbewegend - dringt herein in die Rauch und Flammen speiende Tiroler
Landschaft. An den Wänden der Holzstiege, die zur 'Schlacht am Berg Isel'
führt, steht: "Im Interesse des Publikums dürfen Erklärungen
über Ursprung und geschichtliche Bedeutung des Bildes nur vom
Panoramen-Diener gegeben werde.". Das läßt tief blicken. Der
Panorama-Diener als einzige offiziell anerkannte Quelle historischer Belehrung.
Oder: sicherster Schutz des Publikums vor materialistischer Geschichtsauffassung.
Panoramen haben ihren Reiz. Er liegt in der Mischung von Starrheit und
vorgetäuschter Bewegung, von illusionärer Weite und tatsächlicher
Enge. Besonders aber der lautlose Lärm solch eines Schlachtenpanoramas hat
etwas ganz Märchenhaftes. Die Menschen, die auf dem Zuschauerpodium im Kreis
herumgehen, reden mit gedämpfter Stimme; so als fürchteten sie, das
durch Zauberspruch erstarrte Leben ringsum zu wecken. Es riecht nach Staub und
Farbe. Ein paar Äste und Planken und 'wirkliche' Gegenstände
füllen, Perspektive weitend, den Bodenraum zwischen Zuschauerstandort und
bemalter Fläche. Es ist ein sachter Übergang von drei zu zwei
Dimensionen. Die eine geht unmerklich verloren. (Natürlich nicht im
mathematischen Sinn.) Schlechte Romane haben eine ähnliche Technik, durch
plastisch geschilderte Kleinigkeiten Lebenswahrheit vorzutäuschen.
Panoramen, zumal Schlachtenpanoramen, sind sehr unheimlich. Je besser ihre
Täuschungsabsicht geglückt ist, desto unheimlicher. So was Ersticktes,
vom Schlag-Gerührtes, Lebendig-Totes haben sie. Aber Panoramen sind auch
komisch. Sie sind wie ein bewegliches Riesenspielzeug, dessen Mechanismus stecken
geblieben. Sie sind was ähnlich Spaßiges wie der eingefrorene Ton in
Münchhausens Trompete. Andreas Hofer steht auf dem Feldherrnhügel, von
seinem Stab umgeben. Die Trommlerknaben neben ihm bearbeiten das Kalbfell.
Allerorten wehen zerschossene Fahnen. Aus den Gewehrläufen zieht eine
Strähne Rauch. Die Kanonen stecken eine rote Feuerzunge heraus. Die nahen
Berge sind tief smaragdgrün, die fernen blaugrau. Ueberall liegen Tote. Bei
den Franzosen viel, viel mehr als bei den Tirolern. Warum? Nur der
Panorama-Diener kann das erklären."
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